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Vorsicht mit Handelsvertretern

Ich habe zu lange nicht mehr über unseren Bau berichtet. Das liegt dummerweise unter anderem daran, dass der Hausanbieter, der schlußendlich bereit zu sein scheint, unser Haus zu bauen, mir einen Internetmaulkorb verpasst hat. Ich muss also höllisch aufpassen, was ich schreibe, denn da hängt ein doch erhebliches Kostenrisiko dran. Doch dazu vielleicht in einem späteren Artikel mehr, und in einem anderen Artikel werde ich Euch schreiben, was passiert, wenn Baugeld billig ist, die Auftragsbücher der Hausanbieter platzen und sie sich somit aussuchen können, welche Kunden die Ehre eines Hauses bekommen und welche nicht. Da wünscht man sich echt höhere Zinsen.

Aber was ich euch eigentlich heute schreiben möchte ist, dass man vorsichtig sein muss, wenn man nicht mit dem zukünftigen Vertragspartner (dem Anbieter), sondern mit einem Handelsvertreter des Anbieters verhandelt. Das ist für den Kunden nämlich eine außerordentlich ungeschickte Konstellation, die dem Anbieter zahlreiche Möglichkeiten gibt, die Konkurrenz aus dem Rennen zu schießen und den Kunden ein wenig mehr über den Tisch zu ziehen. Mehr dazu nach dem Klick.

Wikipedia schreibt:

Der Handelsvertreter, veraltet: Agent (lat.: agens), ist selbstständiger Gewerbetreibender, der damit beauftragt ist, für einen anderen oder mehrere andere Unternehmer (Anbieter) Geschäfte zu vermitteln (...).

In der Baubranche jenseits des Einpersonenbauträgers findet der Erstkontakt eigentlich fast immer mit Handelsvertretern statt. Das gilt ganz besonders für den Fertighausbau, in dem doch meist größere Unternehmen tätig sind. Ein Handelsvertreter meldet sich am Telefon mit dem Namen des Anbieters, benutzt die Mailadressen des Anbieters, hat Visitenkarten in dessen Corporate Identity und darf doch fast nichts, denn in den Verträgen steht üblicherweise, dass Verträge, Anlagen, Ergänzungen und Nebenabsprachen erst dann Gültigkeit erlangen, wenn sie vom Anbieter selbst bestätigt wurden.

Das führt zu der für den Anbieter außerordenlich bequemen Situation, dass der Handelsvertreter im Vorfeld des Vertragsabschlusses nicht nur das Blaue vom Himmel herunter versprechen kann, sondern es auch völlig straflos und ohne Rechtsfolgen in den Vertrag hineinschreiben kann, den er dann zusammen mit Dir unterschreibt. Damit schießt er dann bequem die Konkurrenz aus dem Rennen, weil er dem potenziellen Kunden alle Bedenken durch die Aufnahme beliebiger Klauseln in den Vertrag ein gutes Gefühl im Magen verschaffen kann. Wenn er dann noch den Kunden in dem glauben wiegt, die Annahme durch die Firmenzentrale sei nur eine Formalie, hat er den Kunden im Kasten.

Nachdem der Kunde zusammen mit dem Handelsvertreter unterschrieben hat, wird der Kunde den Mitbewerbern eine Absage erteilen und ist dann komplett in den Fängen des Anbieters gelandet. An diesem Zeitpunkt kann der Anbieter nun beginnen, sich Gedanken darüber zu machen, ob er den Vertrag überhaupt annehmen möchte. Der Kunde hat zu diesem Zeitpunkt diese Wahl nicht mehr: Er hat einen Vertrag unterschrieben. Der Anbieter kann den Vertrag nach seiner Wahl unterschreiben und gültig machen, oder er kann sich zurücklehnen und nun die vom Handelsvertreter zugesagten Klauseln und dessen Zugeständnisse eines nach dem anderen wegverhandeln - wenn der Anbieter nun nicht unterschreibt, geht nicht nur der Handelsvertreter leer aus, sondern der Kunde hat keinen Vertrag und bekommt auch kein Produkt. Mit ein bisschen Pech verliert man so leicht Monate, weil sich der Anbieter bis zum Beginn dieser Nachverhandlungen auch noch nahezu beliebig viel Zeit nehmen kann.

Der Kunde darf sich nun überlegen, ob er bei einem der Mitbewerber, die er aufgrund der Zusagen des Handelsvertreters aus dem Rennen gekickt hat, zu Kreuze kriecht und nun mit diesem die Verhandlungen wieder (aus schlechterem Standpunkt, denn der Mitbewerber weiß ja jetzt, dass der Kunde schon einmal woanders abgeblitzt ist) aufnimmt. Wenn er dies tut, hat er die Zeit, die er mit dem Handelsvertreter gesprochen hat, verschwendet und verliert wertvolle Projektzeit. Oder er geht auf die Nachverhandlungen des Anbieters ein und verzichtet dabei vielleicht auf Dinge, die seine Entscheidung für den Anbieter maßgeblich beeinflußt haben - hier kann man als Kunde nur verlieren.

Ich kann aus diesem Grunde nur dringend empfehlen, aus dem Level "ich spreche mit dem Handelsvertreter" so schnell wie möglich auf den Level "ich spreche direkt mit dem Anbieter" upzugraden. Mit einem Handelsvertreter zu sprechen ist eigentlich nur in Fällen sinnvoll, in denen man gedenkt, das Standardprodukt zu den normalen, vom Anbieter vorgegebenen Vertragsklauseln zu kaufen: Hier ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Anbieter den Vertrag, der aus seinem Standpunkt sicher das Optimum an Kundenmelkung darstellt, auch akzeptieren wird. Hat man jedoch vor, über den Vertrag zu sprechen, weil er die finanzielle Situation des Kunden für den Rest seines Lebens maßgeblich beeinflussen wird, oder das Produkt individualisieren zu wollen, ist es reinste Zeitverschwendung, hier mit dem Handelsvertreter zu sprechen: Seine Worte und Zusagen sind es nicht wert, niedergeschrieben zu werden und seine Unterschrift auf dem Vertrag könnte genauso gut mit ungefärbtem Wasser geschrieben sein - sie ist nicht relevant.

Es ist ein schwerwiegender strategischer Fehler, einen nachverhandelten Vertrag zu unterschreiben, wenn nicht ein unterschriftsberechtigter Mitarbeiter des Anbieters (also ein Geschäftsführer, Prokurist, Bevollmächtigter o.ä. [im Handelsregister nachgucken, ob der Gesprächspartner wirklich unterschreiben darf, ggf. Vollmacht zeigen lassen und prüfen]) mit am Tisch sitzt oder der Vertrag nicht schon vom Anbieter unterschrieben ist. Wenn man unterschreibt, ohne dass man noch im selben Termin die gültige Unterschrift des Anbieters bekommt, liefert man sich hilflos aus. Ob der Handelsvertreter unterschreibt oder nicht, ist egal. Es gibt zwar das Instrument der Anscheinsvollmacht, das ist in der Praxis aber zahnlos: Wer will sich schon ein komplexes Produkt wie ein Haus von einem Anbieter bauen lassen, den man vorher gerichtlich auf die Aussagen seines Handelsvertreters hat festnageln müssen? Das taugt vielleicht, wenn der Handelsvertreter suggeriert hat, er dürfe einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, weil man danach vom Anbieter nichts mehr will, aber wenn man ein Haus gebaut haben möchte, ist es doch ratsam, einen Anbieter zu wählen, der eine gewisse Motivation zu gewissenhafter und vollständiger Arbeit hat.

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Comments

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Jakob on :

Warum erteilt ein Anbieter einen Internetmaulkorb? Und vor allem: Warum läßt du dich auf sowas ein??

Marc 'Zugschlus' Haber on :

Der Anbieter war nicht bereit, mir zuzusagen, dass sie nicht direkt zum Anwalt rennen, wenn ich etwas schreibe, was ihnen nicht passt. Ich hätte gerne mit ihnen vereinbart, dass ich alles rauswerfe, was ihnen nicht passt, mir aber für den ersten Hinweis keine Kosten entstehen dürfen.

Dazu war der Anbieter nicht bereit, was ich wegen des Kostenrisikos als "Maulkorb" interpretiere.

Warum ich ihm trotzdem den Bauauftrag erteilt habe: Der Rest war von allen übrig gebliebenen Kandidaten am stimmigsten. Es ist in dieser Zeit, wo man das Baugeld fast hinterhergeworfen bekommt, echt schwer genug, überhaupt jemanden zu finden der für einen baut.

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