Bombige Idee, lieber CSU-Hinterbänkler
In den letzten Tagen wurden in einem Regionalzug und einem Bahnhof zwei betriebsbereite Bomben gefunden. Seitdem drehen Bahn-Schlipse und Politiker völlig ab.
So hat ein Bahnsprecher im Radio behauptet, alle Bahnhöfe in Rheinland-Pfalz seien bereits jetzt videoüberwacht. Ob das auch für solche Metropolen wie Grünstadt, Olsbrücken und Schaidt gilt?
Den Vogel jedoch hat der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis abgeschossen, als er für Bahnhöfe ähnliche Sicherheitsmaßnahmen wie für Flughäfen fordert. "Wir können es nicht darauf ankommen lassen, dass die erste Bombe in einem ICE explodiert", sagt er.
Lieber Herr Geis, ich weiß ja nicht, wann Sie zuletzt einen Regionalzug zur Hauptverkehrszeit von Innen gesehen haben, aber bitte fühlen Sie sich informiert darüber, dass es sich bei der Eisenbahn um ein so genanntes Massenverkehrsmittel mit Flächenwirkung handelt. Das bedeutet, dass auf großen Bahnhöfen potenziell alle fünf Minuten eine vollbesetzte 747 ankommt (und abfährt) und es im Gegenzug auf kleinen Bahnhöfen vorkommen kann, dass stundenlang niemand ein- oder aussteigt. Und nun erklären Sie mir bitte, wie Sie unter diesen Randbedingungen die von Ihnen gewünschten Sicherheitsmaßnahmen in die Tat umsetzen wollen, ohne dass Ihnen die Fahrgäste in Scharen davon laufen. Mit dem ÖPNV ist man heute schon um einen Faktor zwei bis drei langsamer als trotz allem Verkehrschaos mit dem eigenen PKW - wollen Sie dem ÖPNV wirklich mutwillig das Genick brechen?
Abgesehen davon: Wenn man keine Bombe in Zügen mehr deponieren kann, weil die Überwachung so flächendeckend ist[1], dann sprengt man halt eine Straßenbahn, einen Bus oder einen Kindergarten.
[1] Wie toll flächendeckende Videoüberwachung zur Verhinderung von Anschlägen taugt, hat man in London ja hervorragend sehen können.
Comments
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Roger Anton on :
Ich habe mir abgewöhnt, solches Politikergeschwätz ernst zu nehmen. Der gute Herr will sicherlich nur darauf aufmerksam machen, daß es ihn noch gibt. Außerdem ist gerade Sommerloch.
kju on :
Die WAZ druckt heute ein viel simpleres und schlagenderes Argument: 'Als "völlig unpraktikabel" bezeichnet auch der Politologe Kai Hirschmann vom Essener Institut für Terrorismusforschung die Forderung nach verschärfter Videoüberwachung. "Das mag vor Kleinkriminalität schützen. Aber selbst wenn ein Koffer nur einen Meter an einer Videokamera vorbeigezogen wird, ist es doch unmöglich, dessen Gefahrenpotenzial einzuschätzen. Videokameras sind nicht geeignet, politische Gewalt zu verhindern".
Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen.
Roman on :
Also echt. die haben doch nen absoluten Sockenschutz. Wenn das so weiter geht mit dem Thema Überwachung, dann frage ich mich warum Sie die Stasi aufgelöst haben.... Irgendwann ist auch mal genug mit der Überwachung.
TabTwo on :
Aber es wurden jetzt doch auch noch Beweise für eine Verbindung in den Libanon gefunden. Da muss man doch was tun! Einsatz der Bundeswehr an allen (Bus)Bahnhöfen, Fahrkartenverkauf nur gegen Fingerabdruck usw.
Ich bin echt gespannt was da wieder rauskommt.
Marc 'Zugschlus' Haber on :
Wenn in Folge der Maßnahme das unsägliche Onlineticket wieder verschwindet, soll mir das Recht sein
Axel on :
was hast du gegen das Onlineticket? Immerhin kann der 2D-Barcode jetzt gescannt werden
Marc 'Zugschlus' Haber on :
Es ist unhandlich und personengebunden. Und nichtmal billiger.
TabTwo on :
Ja natürlich ist das personengebunden, wie soll man den sonst die Möglichkeit haben nachzuvollziehen wo Du Dich rumtreibst.
Axel on :
Dafür kann ich es mir besorgen wann und wo ich will. Ich muß nicht zum Bahnhof traben oder früher dort sein oder oder oder. Ich finde es praktisch. Über die Ticketgröße kann man sich allerdings tatsächlich streiten.
Arno N. on :
Falls es wem noch nicht aufgefallen ist: Der eigentliche Irrwitz an der ganzen Geschichte ist doch, daß das Problem (sofern da denn überhaupt eines ist) nicht "Bombe in Zug" ist, sondern "Bombe in großer Menschenmenge" - und das läßt sich kaum lösen, indem man die Menschenmenge vor/in den Bahnhof verlegt, was aber, vermute ich, zwangsweise passieren würde, weil man sonst die Kapazität der Abfertigung so auslegen müsste, dass sie auch Spitzenansturm ohne Stauung absorbieren kann - und das will ja niemand bezahlen.
Frank on :
Man hat ja auch schon gesehen das selbst bei vorhandener Videoüberwachung der vermutl. Täter bisher nicht gefunden wurde. Siehe den Fall in der Kölner Kolpstrasse mit der "Nagelbombe". Die TV-Serien haben es da einfacher weil irgendwer den Typen mit Baseballmütze und Sonnenbrille schon mal gesehen hat. Im Reallife ist das viel schwieriger.
Und vorbeugen oder verhindern tut Videoüberwachung nix.
Leider ist das ganze was da aus der Politik abläuft wieder die übliche Nummer: Wir können nicht zugeben das wir dagegen wenig machen können. Also schnell was in den Raum werfen damit es der Masse nicht auffällt.
Axel on :
Genau da liegt das eigentliche Problem. Operative Hektik als Ersatz für eine Aufklärung der Bevölkerung.