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Viereinhalb Stunden Buntling

Notizen aus dem Nahverkehr zwischen Bielefeld und Mannheim

Um 10.12 verlässt der Bus des Schienenersatzverkehrs für die Nord-West-Bahn nach Paderborn mit +5 den Bahnhofsvorplatz von Bielefeld Hbf. In Brackwede (pünktlich) steigt ein "Zugbegleiter" zu, der sich sich die ganze Zeit mit dem Busfahrer unterhält.

Dementsprechend bleibt die Anzeige der nächsten Haltestelle bis zum Endpunkt Sennestadt auf "Brackwede Süd" stehen, weil das Personal sich zu gut miteinander unterhält. So sind wir an einer Haltestelle vier Minuten vor Plan, und ich bin versucht, den Stammtischwimpel vorne hinzustellen ob der Themen, über die sich das "Zug"personal unterhält.

Sennestadt ist ein einfacher Kreuzungsbahnhof mit einem durchgehenden Hauptgleis, einem Kreuzungsgleis und Lichtsignalen, der durch ein aus dem Stellwerksfenster hängendes Kabel für die Übernachtung von Zügen hergerichtet wurde. Auf dem Hausgleis wartet bereits der Talent der Nord-West-Bahn, der nach Ankunft des Gegenzugs in Richtung Paderborn ausfährt. Schloß Holte, der nächste Bahnhof, hat drei Gleise und ist für die Durchfahrt auf dem dem Empfangsgebäude fernsten Gleis (viermal Hp2, davon zweimal für die Gegenrichtung) durchgeschaltet.

Die Strecke ist eine ziemliche Partisanenbahn: Streckengeschwindigkeit gefühlt 50 km/h, mit etlichen Bahnübergängen, zu deren Ehre einiges an La 20 km/h verteilt wurde. Auf dem Südteil gibt es allerdings jede Menge Güterverkehr: Auf den durchaus großen Bahnhöfen stehen Güterwagen herum, die tatsächlich danach aussehen, dass die ebenfalls dort beobachteten 29x-Loks wirklich Bewegung in die Züge bringen. Nach der pünktlichen Ankunft in Paderborn Hbf geht es eine halbe Stunde vor Plan weiter mit der Regionalbahn nach Rheine über Hamm, einem einzeln verkehrenden 425 mit Zugbegleiter.

Auf geht es flott nach Hamm. Fahren die 425 in NRW inzwischen wieder LZB-geführt 160? Mir kam das fast so vor. Kurz hinter Lippstadt kommt ein Fahrgast mit brennender Zigarette durch und wird von einem anderen Fahrgast gefragt, ob man hier rauchen darf. Die Antwort "Nein, aber ich bin Aso, und nehme mir das Recht heraus." Mir fehlen die Worte. Ich lasse den Raucher unbehelligt weiter nach hinten in die Fänge des Zugbegleiters laufen und hoffe, dass er gebührend vorgenommen wurde.

Vor Soest ein langer Signalhalt, und der Hinweis, dass wegen einer Streckensperrung der Zug von Soest nach Unna nicht verkehrt. Fahrgäste nach Dortmund möchten bis Hamm im Zug bleiben. Nun, mir hatte HAFAS eh die Reise über Hamm nahe gelegt.

Immer noch eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Plan komme ich in Hamm an, und nehme einen anderen Zug in Richtung Wuppertal, wo ich 20 Minuten vor Plan ankomme. Beim Warten in Wuppertal fällt mir auf, dass in NRW nicht nur immer noch massiv Buntlingzüge fahren, sondern dass es tatsächlich auch noch grüne Buntlinge gibt. Fast jede Garnitur hat einen nichtroten Ling im Zug. Da haben wir's in BaWü doch etwas anders, wo sowieso kaum noch Buntlinge fahren, und ich seit Monaten keinen nichtroten Wagen mehr gesehen habe.

Meine Verabredung, wegen der ich den Abstecher nach Wuppertal eingeplant hatte, ist allerdings weder zur früheren, noch zur späteren Ankunft in Wuppertal Hbf aufzutreiben, und mobil erreichbar ist sie auch nicht. Ich buche das auf das Konto "Wer nicht will der hat schon", und nehme - inzwischen zwei Stunden vor Plan - die Heimreise in Angriff.

In Hagen steige ich aus dem RE in die RB nach Siegen um. Hagen Hbf ist vom Gleisplan wirklich so seltsam, wie an anderen Stellen gezeigt. Man hat den Bahnhof in die Länge gezogen, um Breite zu sparen, und hat zwei getrennt erreichbare "Gleise" pro Bahnsteigkante spendiert. Nur lange Züge wie z.B. ein ICE müssen "nach Gleis 5 und 6" einfahren.

Gleis 1, aus dem mein weiterführender Zug fährt, ist ein "normales". Anstelle des eigentlich erwarteten 425 kommt eine 143 mit einem Rotling-Wendezug (Steuerwagen mit Karlsruher Kopf in Richtung Siegen). Die hübsche rothaarige Zugbegleiterin verschanzt sich den größten Teil der Fahrt im Führerstand, läuft aber immerhin einmal zur Fahrkartenkontrolle durch den Zug.

Altena ist böse gerupft: Was früher ein durchaus größerer Bahnhof war, ist heute nur noch ein Haltepunkt an zweigleisiger Strecke. Ein Sbk-Häuschen steht mitten im Planung eines ehemaligen Bahnsteiggleises, dem genau so viel Schiene fehlt, wie nötig war, um das Häuschen hinstellen zu können. Man merkt die Nähe zu Iserlohn, der örtlich zuständige Netzbezirk ist ziemlich radikal bei der Infrastrukturanpassung.

Ansonsten bin ich durchaus überrascht über die großen Bahnhöfe und die Vielseitigkeit der angetroffenen Stellwerke: Mechanik, Elektromechanik, Relais, ESTW, alles ist dabei. Hübsch. Einige der Unterwegsbahnhöfe haben neue, höhere Bahnsteige bekommen. Der Verkehr wird größtenteils mit Buntlingen abgewickelt, aber auch Erdbeerkörbchen sind im Einzel- und Doppelpack vertreten. Respektabel viel Güterverkehr.

Welschen Ennest ist Baustelle: Die Quertragwerke der Fahrleitung werden abgebaut, die neuen Fahrleitungsmasten stehen genau im Planum eines ehemaligen Gleises, die neuen Bahnsteigkanten werden gerade gebaut. Ich fürchte, hier wird zum Schluß auch nur noch ein Hp übrig bleiben.

Siegen-Weidenau wird pünktlich erreicht, und dann - ja dann, stehen wir sechs Minuten in der Einfahrt nach Siegen Hbf, während ein kleiner Dieseltriebwagen in Richtung Haiger und ein Doppelpack 426 in Richtung Hagen ausfährt. Ich rechne jede Sekunde damit, meinen Zug nach Frankfurt ebenfalls ausfahren zu sehen.

In Siegen angekomen, steht der RE nach Frankfurt treppenfrei "abfahrbereit an Gleis 55" (so der Ansager), und ich gehe schnellen Schrittes. Als der Zugbegleiter pfeift, wechsle ich in den Laufschritt und bin wenig amüsiert, als ich später aus dem Zug sehe, dass noch keine Ausfahrt gestellt ist und mithin der Achtungspfiff reine Fahrgastverarsche war.

Nachdem endlich die Ausfahrt gestellt ist, schlüsselt der Zugbegleiter, um festzustellen, dass weit am Ende des respektabel langen Buntling-Wendezugs (ich schätze sieben oder acht Wagen) eine Tür offen bleibt. Er schlendert gemütlich am Zug entlang, um die Tür zu schließen. Abfahrt mit +10, und ich habe wegen des unnötigen Sprints einen dicken Hals.

Bis Giessen haben wir nur noch +5, die wir bis Frankfurt halten. Mein Anschluß-RE fährt in diesem früheren Takt nicht auf .15, sondern auf .13, und nicht bahnsteiggleich. Das macht den Umstieg in Frankfurt haariger als erwartet, er klappt jedoch. Auch der letzte Normalspurzug des Tages ist ein Buntling-Wendezug. Frankfurt wird pünktlich verlassen.

In Mannheim-Waldhof halten wir am Hausbahnsteig, und ich laufe die geschätzt 50 Meter zum Bus B ("Fußweg 3 Minuten"), der schon wartend bereit steht. Die Linienführung führt erst einmal vier Minuten lang um den Bahnhof Waldhof herum, bevor der Weg nach Käfertal abbiegt. An der Haltestelle Käfertal Süd wechsle ich in die Strassenbahn 4, die mich nach Wallstadt bringt.

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