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Paris II - Die Anreise

Anreise mit ICE und Metro, das Hotel.

Die Frau W. fährt uns morgens um neun zum Mannheimer Hauptbahnhof, wo wir den pünktlich einfahrenden ICE3 nach Paris besteigen und schnell unsere reservierten Plätze belegen. Ich fahre das erste Mal über die Umfahrung Schifferstadt, bevor die uns gut bekannte Strecke durch den Pfälzer Wald nach Kaiserslautern beginnt. Was für eine Gurkerei.

Der Zug ist gemischt mit DB- und SNCF-Personal besetzt. Unser Wagen wird von einem SNCF-Mitarbeiter betreut, der eine topmodische Brille trägt und außerdem nahezu akzentfrei Deutsch spricht. Die Ansagen werden von einem deutschen Muttersprachler gemacht, der deutlich besser Englisch spricht als der durchschnittliche DB-Zugchef; über sein Französisch kann ich nichts sagen. Die Ansagen kommen dreisprachig, und dort, wo in Deutschland "Deutsche Bahn" gesagt wird, kommt "Deutsche Bahn und SNCF, Mitglieder der RailTeam Allianz". Das nervt spätestens in Saarbrücken und kann nur der Idee eines Marketingmeisters entstanden sein, der mehr S-Klasse als S-Bahn oder ICE fährt.

In Saarbrücken wird nicht - wie von mir erwartet - die Fahrtrichtung gewechselt, da es zwei grenzüberschreitende Strecken gibt und wir nicht die auch von der Saarbahn befahrene Strecke nach Sarreguemines benutzen. Forbach ist ein Kaff, und die Gurkerei geht auch in Frankreich weiter - erstaunlicherweise auf dem rechten Gleis. Die Abzweigung in Richtung der LGV Est geht nach links raus, und die Überleitung auf die Neubaustrecke ist auch gleichzeitig der Wechsel auf das linke Streckengleis. Dann dreht der ICE3 richtig auf und rauscht mit 320 km/h in Richtung Westen. Die Fahrt ist ziemlich unruhig, ich fühle mich nicht wohl. Da kommt wohl das deutsche Fahrwerk nicht mit dem französischen Streckenbau klar; auf der KRM ist's bei nur 20 km/h weniger sehr viel ruhiger.

Die Pampa-Bahnhöfe kann man im Vorbeirauschen kaum erahnen, und auch die zahlreichen Abzweige zu Altstrecken sieht man kaum. Dann wird schon gebremst und rein geht es nach Paris Est.

In Paris haben wir erstmal die Herausforderung, unsere Paris-Visite-Gutscheine in die wirkliche Fahrkarte einzutauschen. Das ist für das Personal am RER-Schalter auf dem Querbahnsteig offensichtlich ein alles andere als alltäglicher Geschäftsvorfall, denn es dauert fast eine Viertelstunde und fünf Leute hinter dem Schalter, bis man uns endlich die zwei Magnetkarten durch die Schute schiebt, die für die nächsten Tage unsere Begleiter sein werden. Mit Gepäck und Magnetkarten geht es dann ab in Richtung Metro.

Den Metrobereich kann man nur betreten, wenn man die Karte an einem Lesegerät eingelesen hat, erst dann wird das Drehkreuz freigegeben, in dem ich mit Sandras Schrankkoffer prompt hängen bleibe. Später werde ich verstehen, dass es mit ein bisschen Übung einfacher geht und dass es außerordentlich praktisch ist, dass die Kartenausgabe etwa 50 cm weiter vorne ist als der Einschubschlitz: Das ist auf hohen Durchsatz optimiert und funktioniert sehr gut.

Die Metrolinie 4 ist eine der Linien, deren Züge auf Gummireifen fahren. Dieses nur in Frankreich signifikant verbreitete System scheint irgendwelche Vorteile zu haben, denn auch die neueste Metro 14 basiert auf diesem System und auch die in anderen französischen Städten neu gebauten Systeme fahren auf Gummi. Ich sehe da eigentilch nur Nachteile: Es stinkt, die Bahnhöfe sind durch den Abrieb schmutziger und durch die erhöhte Reibung auch wärmer als bei einer richtigen Eisenbahn, und auf Metallräder mit Spurkränzen kann auch die Gummimetro nicht verzichten.

Die Pariser Metro ist klar noch mehr als deutsche U-Bahn-Systeme auf den schnellen Transport von Menschenmassen ausgelegt: Zwischen die großen Türräume passt jeweils nur eine 4er-Sitzgruppe; dafür gibt es in den Türräumen jeweils acht Klappsitze, auf denen man mit größerer Beinfreiheit sitzt als in den eigentlichen Sitzen. Wenn der Zug voll ist, klappt es auch hervorragend, dass diese Klappsitze dann nicht benutzt werden und somit der Türraum komplett als Stehplatzraum genutzt werden kann. Das ist für unsere Fahrt zum Hotel - wir erinnern uns, es ist Dienstag Mittag - glücklicherweise nicht nötig und wir können sitzen.

Auf der Fahrt zu unserem Umsteigepunkt Odéon werde ich ein wenig entspannter und höre auf, verkrampft meinen Brustbeutel festzuhalten: Weder ist der Zug so voll, dass ich Angst haben muss, noch sind wir bisher ausgeraubt worden. Lerninhalt dieser Minuten: Paris ist auch nur eine Großstadt wie München, Berlin oder Hamburg, und da fühle ich mich ja auch nicht unwohl. Beim Umsteigen freue ich mich darüber, dass das ohne Drehkreuze abgeht: In Paris sind fast alle Umsteigepunkte so angelegt, dass man umsteigen kann, ohne den Kontrollbereich verlassen zu müssen. Das ist bei etwas weitläufigeren Anlagen teilweise mit absurden Tunnelbauten verbunden, da kommt man sich vor wie im Bunker. Mit der Linie 10 geht es weiter bis zum Aussteigepunkt Ségur, wo dann nur noch zwei Drehkreuze nebeneinander uns vom Tageslicht trennen.

Nach etwa 300 Metern Fußweg die nächste Überraschung: Die Metrolinie 6, die einen Halt direkt vor der Tür unseres Hotels hat (aber keine sinnvolle Verbindung zum Gare de L'est bietet) ist keine Untergrundbahn, sondern eine Viaduktbahn wie in der Isestraße, am Baumwall oder an der Mundsburg in Hamburg oder der U1 in Kreuzberg oder dem Magistratsschirm in Berlin-Pankow. Gut, wenn man etwas sehen möchte, schlecht, wenn die Metro buchstäblich direkt durch das Hotelzimmer fährt.

Die Namen der Metrostationen sind von allem Ballast befreit: Man spart sich das ganze "Place de", "Avenue de" Geraffel und nimmt nur den Namen der Namensgebenden Straße. So heißt die Haltestelle unter der Place de l'Étoile schlicht Étoile, und die Haltestelle La Motte-Picquet/Grenelle ist an der Kreuzung von Boulevard Grenelle und der Avenue De La Motte-Picquet zu finden. Vor diesem Hintergrund erstaunt es mich, dass die Haltestelle am Gare de L'Est nicht einfach L'Est heißt. Das ist für den Nichteinheimischen nur so lange verwirrend, bis man das Konzept verstanden hat.

Der Check-In ins Hotel ist problemlos: Der Portier weigert sich zwar, mit mir Englisch zu sprechen: "Ich kann auch Deutsch. Herzlich Willkommen." Wir bekommen ein Zimmer im 4. OG, einen Zugangscoupon für das Hotel-WLAN und dürfen mit dem rot beleuchteten, engen Zwei-Personen-Aufzug (zugelassen für 180 kg, also klar überladen) nach oben fahren. Unser Zimmer ist auf den ersten Blick recht dunkel, weil sowohl der Teppich als auch die Tapeten anthrazitfarben sind, nach dem Öffnen der quietschbunden Vorhänge wird es jedoch hell. Der Teppich ist mit einem Pariser Stadtplan bedruckt. Das Zimmer ist sauber, nicht ganz top renoviert, aber absolut akzeptabel. Aus dem Fenster guckt man von oben auf die Einfahrt des Metrobahnhofs; wenn die Fenster zu sind, hört man aber kaum etwas. Hier haben die Gummireifen offensichtlich einen erheblichen Vorteil; einen vorbeifahrenden DT3 spürt man in der Isestraße erheblich stärker. Das Badezimmer unseres Hotelzimmers ist wild: Es ist mit einer knallgrünen Glastür vom Zimmer abgetrennt. Die Dusche hat eine Dusche in der Decke, eine Schlauchbrause und sechs kleine Brauseköpfe an der Wand, so dass man sich nach Herzenslust nass machen kann. Da ich durch das Gepäck schleppen doch arg angeschwitzt bin, nutze ich diese Gelegenheit ausgiebig.

Dann werden die Notebooks ausgepackt und geschaut, ob das WLAN brauchbar ist. Es ist zwar unverschlüsselt (was zu erwarten war) funktioniert aber prima. Allerdings taugt der Account nur für einen Rechner; der Anmeldeversuch vom anderen Notebook schlägt fehl. Ich gehe also nochmal herunter und lasse mir noch zwei Accounts geben, was ganz ohne Schwierigkeiten geht. Das ganze scheint mir sehr professionell: Der Portier hat auf seinem Tresen ein Gerät stehen, das ähnlich aussieht wie ein EC-Cash-Gerät und das auf Knopfdruck einen für sieben Tage gültigen WLAN-Account ausspuckt. Das ist noch etwas professioneller als die Lösung bei $KUNDE, wo es vorgefertigte Coupons gibt. Auf dem Rückweg ins Zimmer verstehe ich auch den Teppich im Hotelfur, der wie Kopfsteinpflaster aussieht, zu würdigen: Das Treppenhaus sieht aus als wäre man im Dungeon. Naja, Designhotel, für ein paar Tage ist's absolut cool.

Ich muss nach den Anstrengungen der Reise erstmal 90 Minuten chillen und dann geht's auf die erste Erforschungsreise in die Touri-Zone.

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