Vom Brautkleid zum Hausverbot
Dieser Artikel beschreibt ein Erlebnis von Sandra. Sie hat mich gebeten, es für sie zu verbloggen. Da es hierbei um den Kauf Ihres Brautkleids für die Hochzeit mit mir geht, war ich - natürlich - nicht dabei.
Doch zunächst ein wenig Vorrede: Ein Brautkleid zu kaufen ist eine Aktion, die man generalstabsmäßig planen sollte und die man keinesfalls mit "wir gehen ein wenig Shoppen" vergleichen sollte. Man berichtet mir, dass dies unter anderem so sei, weil frau in ein Brautkleid nicht einfach hineinschlüpfen kann, sondern man ihr in das Kleid hineinhelfen muss und die Dinger nicht unbedingt auf mehrfaches An- und Ausziehen ausgelegt sind: Die gehen einfach kaputt. Sprich: Anprobieren ohne professionelle Hilfe geht nicht, und man belegt einen Verkäufer vollständig, so lange man im Laden ist.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass bei Brautkleidern die größte Auswahl in der Preislage zwischen 1.500 und 2.500 Euro anzutreffen ist und man für unter 500 Euro keinesfalls auch nur einen Schleier bekommt.
Aus diesem Grund kann man in einem Brautmodengeschäft nicht einfach auftauchen und was anprobieren, ohne Termin geht nichts. Und da Bräute Frauen in Sonderzustand sind, ist das Anprobieren eines Brautkleides sowieso eine Großaktion, die nur selten ohne Trauzeugin, beste Freundin, Mutter, Lieblingstante etc abgeht. Aus diesem Grund kann ich schon verstehen, dass Brautmodengeschäfte in manchen Punkten etwas "spezieller" sind, aber was Sandra im November bei P. Brautmoden im lauschigen Mannheimer Bahnhofsviertel widerfahren ist, verdient einen Blogeintrag.
Sandra hatte zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Brautmodengeschäfte besucht und dachte sich "alle guten Dinge sind drei" und macht sich einen Termin bei P. Am Telefon ist man den Umständen entsprechend ("Kunde droht mit Auftrag") höflich, wechselt wild zwischen "Sie" und "Du" und weist darauf hin, dass sie eventuelle Begleitung bitte sofort mitbringen soll, denn sie dürfe jedes Kleid nur einmal anziehen. Das findet sie zwar komisch, aber nun denn, sie wollte ja eh alleine und ihre Freundinnen können mitten unter der Woche sowieso nicht. Der Termin ist für Dienstag angesetzt.
Am Dienstag betritt Sandra pünktlich zu ihrem Termin den Laden und findet die einzige Verkäuferin, eine Mittvierzigerin mit arabischer Optik, angeregt plappernd am Telefon vor. Dieser Zustand bleibt bis eine Viertelstunde nach dem verabredeten Termin unverändert, bevor sie endlich begrüßt wird. Direkt nach der Begrüßung wandert die Dame zwar unter Bedauern, aber trotzdem gleich wieder ans Telefon. Nachdem der gewünschte Gesprächspartner aber offensichtlich nicht erreichbar ist, wendet man sich nun endlich wieder Sandra zu und äußert sofort Verwunderung darüber, dass Sandra alleine gekommen ist. Man habe sie doch schon am Telefon darauf hingewiesen, dass sie bitte ihre Begleitung direkt mitbringen möge, denn sie dürfe jedes Kleid nur einmal anziehen, denn die Kleider werden vom An-und Ausziehen nicht besser. Sandra erzählt ihre Geschichte und erwähnt auch, dass sie bereits in zwei anderen Geschäften war und sich auch schon fast entschieden hat, und dass sie sich auf jeden Fall diese Woche noch entscheiden möchte.
Schließlich beginnt man mit der Anprobe. Auch hier wechselt die Verkäuferin ständig zwischen "Sie" und "Du". Sandra steht gerade oben ohne mit halb angezogenem zweiten Reifrock, ohne Schuhe auf nicht geheizten Fliesen in der Umkleidekabine, da klingelt das Telefon und die Verkäuferin verschwindet für ein zehnminütiges Telefonat. Sandra kann das Kleid nicht alleine weiter anziehen und muss notgedrungen so stehen bleiben und warten. Schließlich ist ein Kleid gefunden, das Sandra noch schöner findet als das, was sie in einem der beiden anderen Geschäfte gefunden hat. Auch der Preis passt: Es läuft gerade eine Aktion und das Kleid kostet statt 899 Euro nur 699 Euro. Das klingt doch gut.
Da Sandra noch eine Nacht über dieser Entscheidung schlafen möchte, bietet man ihr an, das Kleid zurückzulegen. Das geht allerdings nicht so einfach, denn Reservierungen führt man bei P. grundsätzlich nur gegen ein "Pfand" in Höhe von 50 Euro durch. Wenn sie das Kleid dann trotz Reservierung nicht nimmt, darf Sandra sich ihr Pfand dann persönlich wieder abholen. Sandra ist darüber ein wenig verstimmt und beschließt, es darauf ankommen zu lassen: Wir haben Dienstag, ich will mich bis Donnerstag entscheiden, und wenn Sie dieses Kleid bis Donnerstag an eine andere Braut verkaufen, dann hat es nicht sollen sein und ich habe Pech gehabt, sagt sie.
Doch da hat Sandra die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Nein, das geht nicht, der Sonderpreis gilt nur noch heute. Wenn sie das Kleid am Donnerstag kauft, kostet es 899 Euro. Hm, da möchte wohl jemand unbedingt heute noch Geld in die Kasse bekommen. Sandra kann solche Verkaufstricks genauso wenig leiden wie ich und beginnt, sich höflich zu verabschieden und lässt sich zwecks eventueller Nachverhandlung noch den Namen der Chefin, Frau B.-A., geben. Während Sandra den Namen auf der Visitenkarte des Ladens notiert, kommt die kleine Araberin richtig in Fahrt: Wir Deutschen sind ja so arrogant, wir kommen in den Laden, halten die Kaufleute auf und kaufen wollen wir ja sowieso nichts. Sandra traut ihren eigenen Ohren nicht mehr und schreibt auf der Visitenkarte, die sie eh in der Hand hält, mit.
Doch mit dem Mitschrieb kommt es auch nicht weit, denn die Verkäuferin reißt ihr den Stift aus der Hand und klinkt nun total aus. Sandra muss sich anhören, sie sei ein "häßliches Stück" und das Kleid würde ihr sowieso nicht stehen. Mehr ist von der Schimpfkanonade nicht überliefert; abschließend erhält meine Verlobte jedoch Hausverbot bei P. Brautmoden.
Schade, denn das Kleid, so wurde mir berichtet, war wirklich schön. Sie hat nun die 800 Euro Umsatz bei der Konkurrenz gemacht. Dort kommt es darauf an, dass man möglichst schnell sein Geld hinterlässt, und wer nicht sofort brav spurt, wird beschimpft. So soll Service sein.
Comments
Display comments as Linear | Threaded
Roger on :
In Mannheimer Brautmodeläden kann man wohl echt was erleben. Bei uns war es nicht ganz so heftig wie hier geschildert. Der Mannheimer Laden in dem meine Frau ihr Brautkleid kaufte hat uns dennoch ganz schön Nerven gekostet und im Nachhinein einen doch recht zweifelhaften Eindruck hinterlassen. Gut dass man sowas nicht so oft braucht.
dyfa on :
Soviele Hindernisse auf dem Weg zur Ehe. Tragt es mit Fassung, davon werdet ihr noch euren Enkeln erzählen... Ich habe jetzt aber neben Aussehen von Brautkleidern und Preisen von Brautkleidern jetzt auch noch Kaufen von Brautkleidern als weiteren Grund auf der 1783459-Punkte-Liste, warum heiraten für mich nicht in Frage kommt.
Ingo Juergensmann on :
Ach herrje... da bin ich ja mal gespannt, was die Meine von ihrem Brautkleid demnaechst zu berichten hat. Dagegen ist Anzug kaufen wohl richtig stressfrei...
Marc 'Zugschlus' Haber on :
Naja, ich weiß jetzt schon dass ich für meinen Anzug zweimal nach Frankfurt fahren muss. Der hiesige Maßkonfektionär übt sich ähnlich effektiv in Kundenabwehr wie der Brautmodenladen...
Ingo Jürgensmann on :
Oh, für meinen Maßanzug mußte ich auch zweimal nach Hamburg: einmal zum Ausmessen und einmal zum anprobieren und mitnehmen. Der Anzug saß aber sehr gut und war allemal sein Geld wert. Der nächste Anzug wird auch dort wieder gekauft. Teuerer als ein Anzug aus dem Kaufhaus ist das übrigens auch nicht, wenn man nicht gerade den teuersten Stoff nimmt.
Ansonsten kann ich nur noch den Tipp geben, die Brautschuhe nicht im Brautmodengeschäft zu kaufen, sondern Tanzschuhe zu bestellen. Erstens sind die bequemer und zweitens weitaus günstiger als die Apothekenpreise in den Brautläden. Bei Interesse kann ich durchaus mal die Adresse nennen, wo wir unsere Braut-/Tanzschuhe herhaben....
Marc 'Zugschlus' Haber on :
Ich musste dann doch nicht nach Frankfurt fahren, denn der zweite große Maßkonfektionär hat inzwischen auch einen Laden in Mannheim. Das ist echt wie bei 1und1, so lange man im Bereich der Standardangebote bleibt können sie's ganz gut, sonst fällt man gegen eine Wand.
Und das mit den Tanzschuhen wissen wir als Tänzer natürlich. Das Thema ist längst erledigt und Sandra tanzt auch schon fleissig in den weißen.