SpeedTouch 536i
Die DSL-Router aus Thomsons SpeedTouch-Serie genießen den Ruf, eine ausgezeichnete Modembaugruppe zu haben und außerdem auch als reines Modem betreibbar zu sein. Das war für mich genug Grund, mir mal so ein Gerät aus der Nähe anzugucken.
Also flugs bei Kawehs Modemshop.de einen SpeedTouch 516i bestellt. Geht noch bis Ende des Monats auf Rechnung, was unserem Einkauf das eine oder andere graue Haar erspart hat. Zwei Tage später trudelt per DHL ein SpeedTouch 536i (man beachte die andere Typenbezeichnung) ein.
Das Gerät ist kaum größer als zwei Zigarettenschachteln und hat einen Anschluß für das Steckernetzteil, einen Netzschalter, ein Ethernet, einen USB-Port (B), einen Resetknopf (10 Sekunden drücken für Factoryreset und Password Recovery) und einer 6P2C-Westernbuchse für die DSL.
Der 6P2C-Anschluß für die DSL ist heutzutage eher unüblich - man findet normalerweise 8P2C-Buchsen und kann somit sonst ein normales Patchkabel für die Verbindung zwischen dem Splitter und dem Modem verwenden. Für den SpeedTouch braucht man ein spezielles Kabel mit 8P-Stecker auf der einen und 6P-Stecker auf der anderen Seite. Das mitgelieferte Kabel ist eher auf der langen Seite und wird von mir als unpraktisch empfunden.
Dann erstmal das Ethernet an den Rechner angeschlossen. Der Rechner bekommt vom SpeedTouch per DHCP eine IP-Adresse zugewiesen und man kommt mit dem Browser ohne Passwort auf das Webkonfigurationsinterface. Dort gibt es einen Einrichtungs-Wizard, dem man erzählt, ob man bridgen ("reines Modem") oder routen will, auf welchem VPI/VCI die DSL betrieben wird, ob man PPPoE oder PPPoA machen möchte, wie die Zugangsdaten sind und wie das Administrationspasswort für die Weboberfläche lauten soll. Der VPI/VCI für T-DSL ist übrigens 1/32, wer das noch nicht wusste (ich wusste es nicht).
Nach Abschluß des Assistenten rebootet der Router und nimmt danach das soeben gesetzte Passwort nicht an. Ich spiele das Spiel "Einrichtungsassistent, nicht einloggen können, Factory Reset" mehrfach mit immer einfacher werdenden Passworten erfolglos durch und erinnere mich dann daran, dass das SpeedTouch auch einen Telnetzugang hat.
In diesem Telnet-Interface bekommt man eine leidlich komfortable Kommandozeile (besser als die von Netscreen, schlechter als die von Cisco) und kann dort wirklich alles einstellen. So viel, dass ich mir nicht zutraue, die ATM-Konfiguration für die DSL korrekt hinzubekommen und mich wieder dem Webinterface zuwende. Leider funktioniert auch der Trick nicht, in einer telnetsession eingelogged zu sein, um dann nach der Bedienung des Webkonfigurationsassistenten das Passwort auf der Kommandozeile neu zu setzen, denn nach dem Ende des Assistenten bootet der Router und danach hat es sich natürlich auch ausgetelnettet.
Die Lösung für das Konfigurationsproblem war dann übrigens - wie üblich - die Unfähigkeit des Entwicklers des Webfrontends. Mit dem Internetexplorer unter Windows funktioniert es nämlich. Auf Anhieb. Thomson hat hier also geschafft, einen Browser-GAU der übelsten Art zu produzieren: Wenn man einen alternativen Browser verwendet (ich war schuldig, den Firefox benutzt zu haben), tut das Webinterface grundsätzlich, versagt aber an einer essentiellen Stelle ohne jegliche Fehlermeldung so subtil, dass das Gerät völlig unbrauchbar wird. Ich denke, für so einen Bockmist verdient man doch schon Respekt. Das ist eine wirkliche Leistung.
Nachdem die Hürde des Einrichtungsassistenten mit dem politisch korrekten Browser genommen war, geht es mit dem Hausbesetzerbrowser weiter. Das Webinterface ist eher einfacher Struktur und trotzdem verhältnismäßig unübersichtlich. Trotzdem gelingt es mir, das Gerät so weit zu konfigurieren, dass der PPPoE-Verbindungsaufbau gelingt und ich - geNATtet - mit dem angeschlossenen Rechner ins Internet komme.
Im nächsten Schritt versuche ich, das interne Netz auf das statische /28 umzustellen, das mir von meinem ISP auf den DSL-Anschluß geroutet wird. Das gelingt nur teilweise, denn der Router ignoriert beharrlich meinen Wunsch, auch dem DHCP-Server beizubrigen, doch bitte IP-Adressen aus diesem /28 zuzuweisen. In der Interfacekonfiguration kann man den Pool zwar ändern, die Änderung wird jedoch nicht wirksam. Die Lösung findet sich dann zwei Menüpunkte weiter unten in der Konfiguration des DHCP-Servers.
Für die nächste Aufgabe muss ich wieder auf die Kommandozeile, denn im Webinterface kann man NAT nicht abschalten. Thomson stellt sogar im Web eine Referenz der Kommandozeile bereit, erklärt jedoch die dahinter liegenden Mechanismen gar nicht. Ich lege also diese Referenz wieder zur Seite und versuche mich an der Onlinehilfe, die mich relativ zügig in die richtige Konfigurationsebene führt. Schnell ist dort das NAT abgeschaltet und der Router hat seine prinzipielle Tauglichkeit auch für "richtige" Netzsetups mit mehr als einer offiziellen IP-Adresse gezeigt.
An meiner T-DSL 6000 (Variante mit bis zu 3072 kbit/s) synchronisiert der SpeedTouch in wenigen Sekunden und zeigt danach im Webinterface die Leitungsgeschwindigkeit an. Weitere Daten, wie zum Beispiel die Dämpfung oder die Länge der TAL, sieht man im Gegensatz zur Fritz!Box nicht.
PPPoE-Passthrough geht auch im Routermodus theoretisch; die praktische Anwendbarkeit scheitert jedoch daran, dass die von innen kommenden PPPoE-Pakete auf der DSL offensichtlich mit derselben MAC-Adresse rausgehen wie die PPPoE-Session des Routers selbst, so dass die T-DSL-Plattform hier "nay" sagt. Wenn ich die eigene PPPoE-Session des Routers abbreche, kann ich auf dem angeschlossenen Notebook problemlos einen pppd starten und selbst eine Verbindung in die Welt aufbauen. Schade, da hat Thomson geschlust und ein hübsches Feature unbenutzbar gemacht.
Da der SpeedTouch kein Wireless LAN hat, ich aber gerne funken möchte, ist der nächste Schritt des Tests die Kastration in Form der Umschaltung auf den Bridge-Modus. Dazu muss ich wieder durch den Einrichtungsassistenten durch, weil man diese Einstellung idiotischerweise im Webinterface nur angucken, aber nicht ändern kann. Also muss nochmal der Internet Explorer ran. Noch schnell den Linksys mit seinem externen Ethernet an das Ethernet des SpeedTouch gehängt, und mein ursprüngliches Setup ist wiederhergestellt. Das ZyXEL-Modem legen wir erstmal daneben, denn der SpeedTouch wird hier nicht lange zu Gast bleiben.
Auf der Webseite von Thomson erfährt man übrigens, dass der SpeedTouch 536i nicht an Endkunden verkauft wird und dafür gedacht ist, von ISPs als CPE und Übergabepunkt an den Kunden eingesetzt zu werden. Dementsprechend gibt es bei Thomson keine Firmwareupgrades und man möchte sich für Treiber bitte an seinen ISP wenden. Ich hoffe, dass der Modemshop im Falle eines Falles mit neuer Firmware aushelfen wird, sonst ist diese Form der Abwesenheit von Herstellersupport ein ähnlich schwerer Turn-Off wie das erst auf den fünften Blick nur mit dem Internet Explorer nutzbare Webinterface.
Abgesehen von diesen, dann doch schon ins Gewicht fallenden Macken ist das SpeedTouch meiner Meinung nach ein preisgünstiges und gut zu konfigurierendes Gerät, das über die Kommandozeile auch für vom Mainstream abseitige Konfigurationen (wie z.B. DSL mit vom deutschen Consumer-DSL abweichenden VPI/VCI-Methoden und/oder Lineprotokollen oder auch nur Routing von statischen Netzen ohne NAT) nutzbar ist. Wenn ich richtig gesehen habe, kann das Ding sogar SNMP und sollte sich somit sowohl in automatische Konfigurationssysteme als auch in professionelle Netzüberwachungsmechanismen einklinken lassen. Da der SpeedTouch auch in der Modembetriebsart seine IP-Adresse auf dem internen Interface behält, sollte man es auch als reines Modem per SNMP abfragen können. Das habe ich allerdins noch nicht ausprobiert.
Comments
Display comments as Linear | Threaded
Roger Anton on :
Die SpeedTouch-Geräte habe ich auch schon zu hassen gelernt. Preis, Durchsatz und Stabilität sind gut, aber Konfiguration und Administration sind gruselig. Zumal sich diese auch gerne mal von Firmwarerelease zu Firmwarerelease ändern. Leider in den mir bekannten Versionen ohne besser zu werden. Ganz grausam: Management von der "WAN"-Seite. Dummerweise wird das in unserem Umfeld (Anbindung kleinerer Netzbereiche über eigenes Kupfer, kein NAT) hin und wieder benötigt.
Bruno Rauker on :
Das ist ja interessant, wie widerspenstig sich die Thomson-Geräte gegenüber richtigen Browsern verhalten. Beinahe hätte ich mir auch so ein Ding bestellt. Da ich hier kein OS zur Verfügung habe, auf dem IE laufen könnte, ist das jetzt hinfällig. Bisher hatte ich auch Leuten, die Probleme mit dem Modemsync an grenzwertigen Leitungen hatten, den Speedtouch empfohlen. Dafür muss ich jetzt ein anderes Gerät aussuchen.
Bruno
Rainer on :
Von Draytek gibt es jetzt ein neues DSL-Modem mit der Bezeichnung "Vigor 110". Ich habe mir mal die BDA heruntergeladen, sieht ganz vielversprechend aus. Wenn die Qualität der Modembaugruppe identisch ist mit der, die in den Vigor-Routern verwendet wird, ist das eine echte Alternative zum Speedtouch.
Rainer