Scrooges Gedanken zum Weihnachtsfest
Erwähnte ich schon, dass ich mir Weihnachten in etwa so sympathisch ist wie eine Weisheitszahnextraktion gepaart mit einer Wurzelbehandlung?
Wer wissen möchte warum, darf weiterlesen. Wer sich seine Weihnachtslaune nicht versauen lassen will, lässt das Weiterlesen lieber bleiben.
Ich hab die Schnauze so voll vom mehrwöchigem Konsumtaumel, von spontan ausgegrabener Nächstenliebe, die die nächsten Angriffe auf Leib und Leben der Mitmenschen bis zum 26. Dezember, 16:00 Uhr, verzögert, von mit Glöckchen unterlegter Muzak, Adventskalendern, Lichterketten und Kerzen überall.
Mir stellen sich die Nackenhaare auf, wenn umzugskistenweise Weihnachtsdeko vom Speicher geholt wird und Sterne, Plüschweihnachtsmänner und in verschiedenen Farben blinkende Lichterketten mit Mikroprozessorsteuerung und brummendem Steckernetzteil in den Wohnungen verteilt werden.
Es ist mir unangenehm, für Gott und die Welt Geschenke kaufen zu müssen, nur weil es so auf dem Kalender steht - auch wenn ich gerne schenke, wenn mir nur danach ist. So passiert es dann auch oft, dass ich zu Weihnachten uninspiriert etwas ganz langweiliges schenke, oder mich zu nahe und zu deutlich an die Wünsche halte, die man mir netterweise genannt hat.
Dabei schätze ich es selbst viel mehr, wenn man mir etwas schenkt, was ich wirklich gebrauchen kann und was vielleicht sogar vorab mit mir abgesprochen wurde. Mit sowas (zum Beispiel dem da, wenn es auch zu einem komplett unerwarteten Zeitpunkt und aus unerwarteten Händen kam) kann man meine Augen viel eher zum Glänzen bringen als mit einer liebevoll ausgesuchten, aber das Ziel verfehlenden Überraschung.
Dem entsprechend könnte mich heulend in die Ecke setzen, wenn jemand, der mir etwas bedeutet, mit Herzblut Geld dafür ausgibt, mir etwas zu schenken, mit dem ich nur wenig anfangen kann und es nicht beherrsche meine Freude über die Geste als solche stärker zu betonen als die fehlende Glücklichkeit über den nicht meinen Vorstellungen entsprechenden Geschenkgegenstand. Ich finde es einfach schade, dass ich die Vorfreude des Schenkenden auf meine Freude in dieser Form enttäusche, und trotzdem passsiert es mir immer wieder. Besonders fies ist es natürlich, wenn man es mit einem liebevoll zusammengestellten persönlichen Adventskalender zu tun hat - tägliche Angst vor immer wieder derselben Situation ist dabei garantiert.
Also bitte ich schonmal vorsorglich und nachträglich um Entschuldigung durch alle, denen ich das im vorhergehenden Absatz beschriebene dieses Jahr antun werde oder bereits angetan habe.
Irgendwie kommt mir Weihnachten dieses Jahr ganz besonders stressig vor, und meine übliche Taktik, das "Fest der Hiebe" möglichst weit vor den Toren meiner Seele auszusperren, funktioniert diesmal ganz gar nicht. Dann lieber drei Monate Fußball-WM am Stück direkt vor der Haustür.
Können wir bitte zeitnah in die Normalität zurückkehren?
So, und nun dürft Ihr mich alle als Scrooge beschimpfen gehen. Ich hab's verdient.
Comments
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Sille on :
Aeh, Du haelst Dich aber schon nicht fuer den einzigen, dem es so geht? Und auch eine der moeglichen Varianten, dem zu entkommen, ist schon an recht vielen Orten erfolgreich im Einsatz - man vereinbart, sich zu Weihnachten nichts zu schenken.
Marc 'Zugschlus' Haber on :
Das funktioniert aber nur, wenn alle Seiten mitziehen. Sprich, wenn einer darauf besteht, zu schenken, weil er/sie gerne schenkt, und es dabei egal ist ob die beschenkten gerne beschenkt werden, dann nimmt die Katastrophe ihren alljährlichen Lauf.
Sille on :
Und da reicht auch kein "ich wuensche mir, dass Du mir nichts schenkst" oder, vielleicht fuer Dich zumindest etwas ertraeglicher, "ich wuensche mir eine Spende an xyz" oder aehnliches? Oder ein "Lass es uns zumindest mal dieses Jahr anders ausprobieren?"
Wenn ansonsten jemand unbedingt schenken will, muss man ihn wohl lassen, fuerchte ich - vielleicht hilft es (fuer weitere derartige Anlaesse), nichts zurueckzuschenken und auch im restlichen Kreis nichs zu schenken, um zu demonstrieren, dass Weihnachten trotzdem nicht untergeht? Vielleicht funkionieren auch Ausgleichsangebote, wasweissich, Geschenkepacken fuer Hilfsorganisationen, oder Wichteln im Familienkreis (dann gibts wenigstens nur fuer jeden eines).
Ralf Hildebrandt on :
Also geht mir genauso. Ich hab doch eh schon alles, von daher WER mir was schenken will sollte auf meinen Wunschzettel gucken.
Sammy on :
Also, wie fahren über Weihnachten in Urlaub und dieser Urlaub ist unser eigenes Weihnachtsgeschenk. Kein Konsumterror, keine Grübelei "Was schenke ich nur wieder?"
Gott sei dank gibt es das nicht mehr bei uns!