Neue Brille V
Der in Neue Brille IV angesprochene Termin mit der Orthoptistin hat inzwischen stattgefunden. Und ich frage mich, warum ich mir die Zeit dafür genommen habe.
Die Orthoptistin ist nur einmal im Monat in der Praxis dieses Augenarztes. Dementspechend voll ist es an dem Tag, und auch als Privatpatient heißt es für mich erstmal ins Wartezimmer. Schon eine Dreiviertelstunde nach dem vereinbarten Termin geht es endlich ins Sprechzimmer.
Die Orthoptistin guckt sich den Vorschlag des Optikers an und äußert, ohne mich auch nur untersucht zu haben, ihre Meinung: "Da will Sie ja jemand zum Schieler machen". Dann wiederholt sie den Test, den auch der Augenarzt mit mir gemacht hat: Im fast vollständig abgedunkelten Zimmer darf ich mir eine Rot-Grün-Brille vor die Nase halten und darf damit auf ein rotes Kreuz und zwei grüne Kreise gucken. Mir erscheint das Kreuz ein bisschen ausserhalb des Zentrums der Kreise. Orthoptistin: "Sehen Sie mal, Sie schielen doch gar nicht".
Dann hält sie mir ein Prisma vor das eine Auge; das Kreuz springt nach weit außerhalb der Kreise. "Das ist das, was der Optiker Ihnen geben möchte." Damit ist der Test, der auf mich nicht wirklich einen professionellen Eindruck gemacht hat, schon wieder vorbei.
Als nächste Stufe telefoniert der Augenarzt mit meinem Optiker, und die beiden einigen sich auf eine Brille mit deutlich schwächeren Prismen als der Optiker ursprünglich gemessen hat. Ein Rezept für diese Brille habe ich inzwischen in der Tasche.
Ich hab mir die Geschichte in den letzten Tagen noch mehrfach durch den Kopf gehen lassen und habe nach der Kenntnisnahme der Argumente beider Seiten die Entscheidung gefällt, den Angaben des Optikers zu folgen und mir morgen eine Prismenbrille in der vom Optiker vorgeschlagenen Stärke zu bestellen.
Grundsätzlich erscheint mir die Argumentation der MKH-Befürworter viel schlüssiger als die Argumente der Augenärzte, die ich - wäre das ganze in der IT-Welt passiert - als FUD abtun würde. Ich werde das einfach mal ausprobieren und ggf. im Spätherbst dieses Jahres erneut berichten.
Comments
Display comments as Linear | Threaded
Der Herr von Gegenüber on :
Hahah, das sieht ja verdammt nach einer Fortsetzung "Neue Brille VI-XX" aus. Schade, dass ich heute nicht wirklich "gegenüber" bin, da hätte man diskutieren können. Warum fragt man Spezialisten, wenn man dann doch dem eigenen Instinkt glaubt? Ich hatte während des Studiums zwei Semester Optik gehabt. Das macht mich weder zu einem Augenarzt, noch zu einem Optiker oder Orthotypistin, aber das was die Tante mit dir gemacht hat, erscheint mir logisch. Dein Arzt hat dir ein Prisma verordnet, das ein Bild so verschiebt, dass "Kreuz und Kreis" zentrisch liegen. Und wenn die Tante genau dieses Prisma vor dein Auge hält und das Kreuz jwd liegt, ist was faul. Optik ist auch nur Mathematik, der Doc gibt eine Zahl vor, die Tante hat es kontrolliert. Wenn der Fehler so groß ist, wäre mir das zu gewagt, einfach aus "Sympathie" die Werte des Arztes zu nehmen. Womöglich hat er sich verschrieben? Und dass die Tante nur wenige Minuten brauchte, was dir unprofessionell erschien, kann auch bedeuten, dass sie ihr Handwerk gut beherrscht. An meiner Heizung gab es auch ein Problem, das fünf "Experten" nach stundenlanger Suche nicht lösen konnten. Der sechste brauchte zwei Minuten. Kennst du doch auch von der EDV. Wenn man weiß wo man schauen muss geht es schneller. Aber nichtsdestotrotz erwarten wir gespannt "Neue Brille VI"
Marc 'Zugschlus' Haber on :
Nun, die Optiker sind auch Spezialisten, und deren Spezialistentum glaube ich in diesem Fall mehr.
Das ist meine ganz normale Arbeitsweise, dass ich mir verschiedene Meinungen einhole und dann meinem Bauchgefühl glaube, welcher Meinung ich folge.
Damit komme ich zumindest bei meiner Arbeit in der IT gut klar, und ich glaube, dass ich meinem Bauchgefühl einige richtige technische Entscheidungen der Vergangenheit zu verdanken habe. Das dann den Entscheidern zu verklickern ist eine andere Sache, aber diejenigen, die meinen Vorschlägen gefolgt sind, sind auf lange Sicht meistens besser gefahren als diejenigen, die mir nicht gefolgt sind.
Aber zurück zum Thema: Ich glaube aufgrund der eigenen Erfahrungen den Optikern, dass man die Richtigkeit der Korrektur einer Winkelfehlsichtigkeit nicht durch Vorhalten eines Prismas für wenige Sekunden bestimmen kann. Dazu ist das Zusammenspiel zwischen Auge und Gehirn zu komplex. Bei der Messung nach MKH hat der Optiker über Minuten hinweg immer mehr nachlegen müssen, bis das Kreuz des (übrigens bei normaler Raumhelligkeit durchgeführten) Polatests nicht mehr auseinandergewandert ist. Das lässt sich gut damit erklären, dass die motorische Korrektur der Winkelfehlsichtigkeit vom Gehirn-Auge-System nur langsam zurückgenommen wird.
Außerdem ist das ganze hochgradig bewegungsempfindlich: Mit der Messbrille ohne Prismen in den paar Minuten der Messung auf reicht ein Augenblinzeln und das Kreuz, das das Gehirn mühsam wieder zum Kreuz gezogen hat ist sofort wieder draußen. Dass bei einem locker vorgehaltenen Prisma, das ich nichtmal in der eigenen Hand halte kein Stillstand zu erreichen ist, liegt meiner Meinung nach völlig klar auf der Hand.
Thilde on :
Bis zur Lektüre dieses Fortsetzungsromans hatte ich ja keine Ahnung, was alles mit einer Brille schieflaufen kann und dass es da derartig viele Meinungen gibt. So lauf ich ganz naiv mit meiner Fielmann-Brille rum und denk mir nix und hoffe, dass ich es schon merken würde, wenn irgendwas ganz grob danebenläge mit meinen -8 Dioptrien und mir.