Erste Erfahrungen mit dem Nokia 7.2
Im Artikel von letzter Woche habe ich Euch schon erzählt, dass ich mir ein Nokia 7.2 bestellt habe. Nach einer durch mausrutschen verursachten Fehlbestellung meinerseits ist das Gerät jetzt zwei Tage bei mir im Haus, ich bin halbwegs gut eingezogen und möchte Euch hier von meinen ersten Erfahrungen berichten.
Das Nokia 7.2 war eins der wenigen Geräte, das beim Geizhals-Vergleichsportal übrig bleibt, wenn man ein Dual-SIM-Gerät mit dediziert zusätzlich nutzbarem SD-Karten-Slot und Android-One auswählt. Android One möchte ich wegen der zugesagten Sicherheitsupdates. Wenn das wieder nicht funktioniert, bleibt wirklich nur noch iOS für diejenigen übrig, denen die zeitnahe Versorgung mit Sicherheitsupdates über mehr als nur wenige Monate hinweg wichtig ist.
Interner Speicher ist durch nichts zu ersetzen, denn er ist massiv schneller als eine SD-Karte. Im Gegensatz zu den anderen übrig gebliebenen Geräten (dem Xiaomi MI A2, dem Motorola One und den Nokia 6.2 und 5.3) kann man das Nokia 7.2 auch mit 128 GB internem Speicher bestellen. Das Gerät kostet dann 270 Euro. Dazu noch etwa 80 Euro für eine 256-GB-Speicherkarte, eine Displayschutzfolie und einen Bumper und die Ausrüstung ist komplett.
In der Verpackung befindet sich außer dem Telefon noch ein 2-A-Netzteil (obwohl das Telefon wohl über USB-C mit deutlich mehr als 2 Ampere laden kann), ein USB-C-Kabel, ein Kabel-In-Ear-Headset und ein Bedieninstrument für den mit drei Plätzen ausgestatten Kartenschieber. Der vom iPhone funktioniert nicht, man muss zum Öffnen tiefer in das Gerät hineinstechen als das Apple-Werkzeug fähig ist.
Nach dem (SIM- und SD-losen) ersten Einschalten und der Verbindung mit dem WPA-Enterprise-WLAN zieht das Gerät erstmal über ein Gigabyte Softwareupdate und bootet. Danach muss ich einen Haufen "toller Angebote" bezüglich Clouddienste, Sync-Angeboten etc ablehnen, bevor ich auf der Oberfläche angekomme. Meine größte Angst ist, dass etliche für mich liebgewordende Einstellmöglichkeiten von LineageOS im "Stock Android" nicht mehr verfügbar sind. Das ist zum Glück nicht der Fall, jedenfalls habe ich noch nichts gefunden, was sich nicht mindestens per App nachrüsten lässt. So hat zum Beispiel LineageOS eine Funktion "Caffeine" im Rollomenü, mit der man das Einschlafen des Gerätes für eine gewisse Zeit verhindern kann. Die lässt sich mit der App "Caffeinate" exakt so nachrüsten wie man es aus LineageOS gewöhnt ist. Auch eine höhere App-Dichte im Launcher lässt sich einstellen; die Icon-Größe ist auch im Android One so flexibel wie sie es unter LineageOS war.
Ansonsten gibt es natürlich ein paar Detailunterschiede in der Bedienung, aber ich bin jetzt ja auch von Android 7 nach Android 10 umgestiegen, das Bedienkonzept hat sich natürlich in vielen Punkten geändert.
Nach dem "einmal alles durchkonfigurieren" setze ich zuerst die SD-Karte ein. Dabei entscheide ich mich, die Karte als "internen Speicher" zu verwenden. Sie wird dann wohl verschlüsselt und das gesamte Telefon meldet sich schließlich mit über 300 GB Speicher. Mit einer Menüoption "Migrate" verschiebt das Telefon eine vom Telefon selbst zusammengestellte Auswahl von Apps direkt auf die Speicherkarte, auch wenn im Telefon noch eine hohe zweistellige Anzahl Gigabytes frei ist. Und: Es scheint nicht richtig zu funktionieren. Jedenfalls verliert im folgenden die von mir für regelmäßige Aktionen (Mülltonne, Tabletten, Umsatzsteuer, Kreditkarte etc) verwendete App "Recurrence" von der SD-Karte gestartet zweimal den kompletten Datenbestand, was besonders ärgerlich ist, weil das eine der wenigen Apps ist, die keine Import/Export-Funktion hat und ich die Daten aus dem alten Telefon nach der manuellen Übernahme schon gelöscht habe. Und Podcast Addict verhält sich beim Betrieb von der SD-Karte seltsam: Die App zeigt keine Podcast-Bilder mehr und die Wiedergabe bleibt häufig einfach stehen ("Unkown Error in Player"). In diesem letzteren Fall gibt es auch keine Möglichkeit außer die Episode zu löschen und neu herunterladen um die Wiedergabe fortsetzen zu können. Kurz gesagt: Das sieht nach beschädigten Daten aus. Zum Glück ist mir das schnell genug aufgefallen.
Hätte ich jetzt einfach die Speicherkarte neu formatiert, wären die auf die Speicherkarte verschobenen Apps weggewesen; eine Gegenaktion "Speicherkarte freiräumen, alles in den wirklich internen Speicher verschieben" gibt es nicht. Aber man kann die Apps einzeln zurückverschieben, zum Glück war es nur eine Handvoll. Nachdem die Speicherkarte als externer Speicher neu formatiert und eingebunden ist, funktioniert nun alles sauber. Die Speicherkarte als internen Speicher zu formatieren erscheint mir aktuell nur als Notbehelf für die Leute, die mit dem winzigen internen Speicher ihres Billigtelefons beim besten Willen nicht auskommen. Mein Nokia hat fette 128 GB, ich kann mir leisten, nur wirklich große Daten auf die Speicherkarte zu schieben.
Die Karten von OsmAnd+ muss ich neu herunterladen; die Podcasts vom Podcast Addict auch. Die Fotos-App hat mir von sich aus angeboten, die Speicherkarte zur Ablage neuer Bilder zu nutzen. Dabei habe ich dummerweise vergessen, dass ich die Karten von OsmAnd+ diesmal im internen Speicher ablegen wollte, um zu gucken, ob die Suche nach Orten und Straßen dann ein wenig schneller geht. Nun, das probiere ich bei Gelegenheit mal.
Um den aufdringlichen Google-Assistenten auf dem Startbildschirm loszuwerden, muss ich eine nicht deinstallierbare App auf die harte Tour abschalten und werde dabei gewarnt, dass ich damit wichtige Funktionalität verlieren könnte. Die Suchzeile verschwindet damit nicht, sie ist nur entassistentet. Ich bin für Anregungen offen, wie ich diesen Screen-Platz für etwas sinnvolleres verwenden kann. Lässt sich der Launcher tauschen, und wenn ja, gegen was?
Google möchte, dass man seine Daten in die Cloud synced. So bekommt man an verschiedenen Stellen in der Default-Kalender- und der Kontakt-App "nette Hinweise" untergeschoben, dass man den Sync doch sicher versehentlich ausgeschaltet hat, natürlich mit dem "Yes, sync me to hell" als Default und genau dort, wo man als nächstes hin drücken würde. Kein fairer Zug.
Das Umziehen von einem Android-Telefon auf ein anderes ist seit zehn Jahren ein unerträgliches Drama. Das hat Apple in seiner Welt - vermutlich nicht zuletzt wegen des einfacheren, zentralistischeren Ökosystems - erheblich besser gelöst. In Android muss man nach wie vor die Standarddaten (Kontakte, Termine) irgendwo hin syncen und dann mit dem neuen Telefon dort wieder herausziehen, bei vielen anderen Apps ist man darauf angewiesen, dass eine Export/Import-Funktion vorhanden ist, dass man die exportierten Daten findet, mit eigenen Mitteln auf das neue Telefon transferiert, die App auf dem neuen Telefon die Datei von dort, wo der Transfermechanismus sie abgelegt hat lesen darf und mit ihrem eigenen Format so weit klar kommt, dass sie mit den Datenbeständen auch etwas anfangen kann.
Als erstes findet Shelter den Weg auf das Telefon. Das ist die App, mit der ich Whatsapp so weit einsperre, dass es ein leeres Adressbuch präsentiert bekommt, bzw. ein Adressbuch, in dem nur meine (wenigen) Whatsapp-Kontakte stehen. Interessanterweise funktioniert das nach wie vor sehr gut. Als nächstes kommen F-Droid und Telegram auf das Telefon; das Telegram-Backup übertrage ich per Bluetooth. Die restlichen Backup-Daten werden per Telegram übertragen, indem ich die Datei auf dem einen Telefon in den "virtuellen Chat" namens "Saved Messages" schiebe und auf dem anderen Telefon dort wieder heraushole.
Podcast Addict beginnt daraufhin sofort, über 500 Podcast-Episoden herunterzuladen. Leider passiert das zu dem Zeitpunkt, als ich meinen Fehler mit der Speicherkarte noch nicht korrigiert habe, so dass ich diese Downloads bei der Neuformatierung verliere. Und einen neuen Download kann man nicht mehr auslösen, so dass ich mir die noch nicht gehörten Episoden der für mich wichtigen Podcasts schnell manuell herunterlade. Das wird sich über die Zeit von selbst fixen und ich bin im Moment sowieso so wenig unterwegs, dass ich kaum zum Podcasts hören komme.
Der für mich am wenigsten schlimme RSS-Reader Flym hat sich aus Gründen auf dem alten Telefon seit sehr langer Zeit nicht mehr aktualisiert. Auf dem neuen Telefon sieht Flym völlig anders und deutlich weniger altbacken aus, dafür kann es die vom alten Flym geschriebene OPML-Datei nicht einlesen. Auch das alte Flym selbst auf einem Referenzgerät mag seine eigene Datei nicht, obwohl xmllint an ihr nichts auszusetzen hat. Eine vom neuen Flym geschriebene Referenz-OPML-Datei hat eine andere opml-Version und ein minmal abweichendes Datenformat der einzelnen Records. Die Anpassung der vom alten Flym geschriebenen Datei an das neue Format ist im Editor schnell gemacht und dann sind meine RSS-Feeds auch da. Es bewahrheitet sich mal wieder, dass man Daten nicht gleichzeitig auf eine andere Plattform umziehen UND ein Softwareupdate machen soll. Auch wenn man diese Operation sehr häufig machen muss (alte Plattform mit alter Software seit langer Zeit nicht angefasst, neue Plattform natürlich mit neuer Software gebaut), achten Softwareautoren sehr wenig darauf, dass so eine Kombioperation gelingt.
Der Umzug meiner anderen Brot-und-Butter-Apps gelingt sowie das Hineinsyncen der Kalender und Kontakte aus der temporären Nextcloud-Installation (dazu ein Extraartikel) kostet Zeit und Nerven, bringt aber keine bloggenswerten Inhalte. So bin ich schon knapp ein halbes Wochenende nach dem Unboxing so weit, dass ich die SIM-Karte mit dem günstigen T-Mobile-Datentarif in das neue Telefon umziehen lasse und nach einer Stunde panischer Suchaktion auch das alte Sony-Telefon finde, in dem die SIM mit meiner nun auch schon seit zehn Jahren unveränderten Mobilfunknummer steckt, unter der ich nun auch wieder tatsächlich erreichbar bin. Die SIM, mit der ich die letzten anderthalb Jahre temporär telefoniert habe, bleibt bis auf weiteres im iPhone 5s stecken; ich gehe aber davon aus, dass ich mit dem anstehenden Supportende für das iPhone 5s wieder zu einem Ein-Telefon-Setup zurückkehren werde. So ausgestattet wiegt mein Nokia 7.2 mit Folie und Hülle nun 230 Gramm; sein vorgänger von ZTE bringt nur 179 auf dieselbe Waage.
Zum Thema Akkulaufzeit kann ich aktuell noch nicht viel sagen. Das ZTE-Telefon war schon ein knappes halbes Jahr nach seiner Anschaffung so weit, dass ich nicht einmal ohne Powerbank mit dem Zug zu einem zweistündigen, handyfreien Meeting nach Stuttgart fahren konnte, ohne dass mir auf dem Rückweg der Saft ausging. Auf der anderen Seite hat das neue Nokia nun 26 Stunden auf der Uhr und noch 18 % Akku - und das, obwohl ich den Screen-Timeout auf dem Nokia mit 10 Minuten deutlich großzügiger eingestellt habe als auf dem alten Telefon.
Telefoniert habe ich mit dem neuen Gerät noch keine Minute. Und so selten, wie ich aktuell mobil telefoniere, wird es auch noch etliche Monate dauern, bis ich Euch sagen kann, ob ich mit der Telefoniequalität leben kann. Lang lebe das Festnetz!
Voice over LTE (was in Zeiten der UMTS-Abschaltung immer wichtiger wird) und Wifi-Calling (zum Telefonieren an Stellen, wo es zwar kein Mobilfunknetz, wohl aber WLAN-Internet gibt) scheinen zwei unabhängige Dramen zu sein. Die Features müssen nicht nur sowohl vom Netzbetreiber als auch vom Gerät unterstützt werden, sondern auch noch in der zusammen passenden Kombination. Die Netzbetreiber pflegen hier wohl umfassende Blacklisten, und es gibt wohl auch signifikante Unterschiede für Kunden, die keine SIM des Netzbetreibers selbst, sondern eine Karte von einem Serviceprovider in den Telefonen stecken haben. Dann spielt auch noch die Provisionierung seitens des Serviceproviders mit eine Rolle. In meinem Telefon steckt für die Telefonie eine von 1&1 ausgestellte SIM im Vodafone-Netz; der Datentarif ist von mobilcom-debitel im T-Mobile-Netz. What can possibly go wrong.
Jedenfalls zeigt das Telefon im 4636-Menü zwei jeweils nach rechts stehende, aber ausgegraute und nicht bedienbare Schiebeschalter für VoLTE und Wifi Calling. Was auch immer Google mir mit dieser User Experience sagen möchte, ist unklar, und ich weiß auch nicht, wie ich feststellen kann, ob ich jetzt über GSM, UMTS, LTE oder WLAN telefoniert habe. Jedenfalls ist das Telefon bisher im WLAN noch nicht mit seltsamen Trafficpatterns aufgefallen.
Zusammengefasst mag sich bei dem neuen Telefon die Ankommensfreude nicht so richtig einstellen. Ich möchte jetzt nicht sagen, ich wäre underwhelmed, aber es ist halt ein Telefon, mit dem ich meine Aufgaben so erledigen kann wie mit seinem Vorgänger auch. Aber das alte Telefon war mit seiner Soft- und Hardware beim besten Willen "durch", obwohl es mich nur knapp über zwei Jahre begleitet hat. Ich habe jetzt ein moderneres Betriebssystem, das wieder für eine Weile Sicherheitsupdates bekommen wird, einen Akku, der nicht sofort nach dem Abziehen der Powerbank anfängt herumzuzicken, und knapp dreimal so viel Speicher. Aber Begeisterung ist anders.
Comments
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Jörg Tewes on :
Es ist mitnichten so das Android nicht die Übernahme des kompletten Inhalts ermöglicht. Nur Nokia bietet es nicht an . Am Wochenende habe ich ein S10 aufs S20 umgezogen, und mit der Samsung eigenen App Smart Switch funktioniert das problemlos. Es gibt auch im Play Store solche Apps die herstellerunabhängig sind. Ich habe bisher allerdings nur mit der von Samsung und Huawei eigene Erfahrungen.
Marc 'Zugschlus' Haber on :
Ich habe größte Zweifel dass das auch zwischen unterschiedlichen Herstellern und für alle Apps funktioniert. Vielleicht hätte ich es ja probieren sollen...
Jan on :
Ja, lässt er sich (und den Assistenten hätte man auf dem Weg auch vom Startbildschirm weggeschafft). Einfach installieren und wenn ich mich richtig erinnere kommt dann beim nächsten Drücken auf den Startknopf die übliche Abfrage, welche App man denn dazu nutzen möchte. Anschließend kann man auch über die Einstellungen noch hin- und her wechseln. Welcher Launcher ist eine gute Frage - ich persönlich bin mit dem Nova Launcher sehr zufrieden, da man ihn sich relativ flexibel nach seinen eigenen Vorlieben einstellen kann.
Als ich z.B. von einem Samsung auf ein Motorola mit relativ originaler Android-Oberfläche umgestiegen bin, war ich vom Google-Launcher auch ziemlich enttäuscht - neben der penetranten Suchleiste konnte er zumindest damals z.B. beim Durchscrollen mehrseitiger Startbildschirme nicht mal von der letzten zurück zur ersten Seite springen, man musste stattdessen wieder selber den ganzen Weg durch alle Seiten zurückblättern. Mit dem Nova Launcher konnte ich mir dagegen alles mehr oder weniger wieder so, wie ich es gewohnt war wieder einstellen.
Ob es auch für dich der richtige ist keine Ahnung - im Zweifelsfall einfach ausprobieren.
(Und schön, dass das Blog wiederauferstanden ist, auch wenn ich nur gelegentlicher stiller Mitleser war)
Marc 'Zugschlus' Haber on :
Ich bestätigt, der Nova Launcher taugt. Habe ihn jetzt auch