Schienenverkehr in Hamburg im Juli 2005
S-Bahn- und U-Bahn-Fahrten in Hamburg - Beobachtungen aus der alten Heimat
Am Samstag morgen ist um 0900 ein Frühstück in Rissen angesagt. Ich stehe also früh auf und erwerbe eine 9-Uhr-Tageskarte für den Großbereich Hamburg, die Samstags schon ab Betriebsbeginn gilt. Die U3 fährt mir an der Kellinghusenstraße vor der Nase weg, und ich fahre "meinem" Zug mit einem modernisierten DT3 bis Borgweg entgegen.
"Mein" Zug der U3 kommt ebenfalls als modernisierter DT3, und ich setze mich mit bequemer Streckensicht in die zweite Reihe. Ich mag die Hochbahn und genieße die Fahrt bis zu den Landungsbrücken.
Landungsbrücken geht es dann die Treppen herunter zur tief unterhalb der U-Bahn verkehrenden S-Bahn. Die S-Bahn hat derzeit Großkampfphase: Unter der Woche wird im Citytunnel gebaut, die Stammlinien fahren oben herum über die Verbindungsbahn; im Tunnel wird gependelt: Eine S2 zwischen Altona und Landungsbrücken und eine zweite S2 zwischen Landungsbrücken und Hbf, alle 20 Minuten. Am Wochenende wird "nur" am Hauptbahnhof gebaut; der Tunnelbahnsteig ist nicht freizügig nutzbar; die Anschlüsse zwischen S1 und S21 gehen verloren; die S31 nach Harburg Rathaus wird nach Hasselbrook umgeleitet. Das neue Fahrgastinformationssystem zeigt seine Schwächen: Der Hinweis "Am Hbf kein direkter Anschluss zur S21" wird auch für Züge angezeigt, die in ihrem Zuglauf den Hauptbahnhof längst hinter sich haben.
Ich falle in eine weitere Falle: Das neue FIS zeigt Kurzzüge als Piktogramm und nicht als Wort an, und ich stehe brav an der H-Tafel für den von mir erwartetn Vollzug. Ich fahre mit einer S3 bis Altona und steige dort dann endlich in die S1 nach Wedel, die auch nur als Kurzzug unterwegs ist.
Die Glasscheiben der Führerstandsrückwand der 474 scheinen sich nicht bewährt zu haben; in den meisten Zügen gibt es Streckensicht nur noch durch die eigentliche Tür. Schade, dass das sichtversperrende Designelement in der Mitte der Tür so weit heruntergezogen worden ist, da muss man sich verrenken.
Auf der S1 West hat sich kaum etwas verändert. Die Sv-Signale stehen jetzt bis einschließlich Othmarschen, Elektromechanik in Klein Flottbek, Hochkamp und Blankenese. Selbst das mechanische Stellwerk im Kreuzungsbahnhöf Sülldorf gibt es noch. Dabei ist Sülldorf so angelegt, dass aus beiden Richtungen die Züge auf Hp2 in den Bahnhof einfahren, bei der Ausfahrt aber ein Hp1 sehen. Das finde ich seltsam, weil der in Richtung Wedel fahrende Zug bei der Ausfahrt relativ eindeutig spürbar einen abzweigenden Weichenstrang befährt. Vor Rissen geht der Zug in den GWB und fährt auf dem südlichen Gleis (Form-Zs6 am Sv-Asig). Das scheint hier die übliche Betriebsform zu sein, denn am nächsten Tag wiederholt sich das Spiel.
Nach einem Frühstück fahre ich weiter nach Wedel. Von Rissen-Ölweiche ist ausser Schotterwüste und etwas vielen Blocksignalen nicht viel zu sehen. Dann geht es nach einer im abzweigenden Strang befahrenen Weiche eingleisig weiter bis Wedel. Dort war ich, obwohl ich viele Jahre in Blankenese gelebt habe, erst zwei- oder dreimal und bin wieder mal überrascht über den großen Bahnhof: Fahrdienstleiterstellwerk, zwei Stumpfgleise am Bahnsteig und eine größere Abstellanlage, in der man sicher acht Vollzüge unterbringt. Der zweigleisige Abschnitt in Rissen ist ebenso wie Sülldorf darauf ausgelegt, dass ein Zug auf jeden Fall einmal einen Langsamfahrbegriff (hier mit Sv signalisiert) sieht, egal welches Gleis er befährt.
Ich nehme den nächsten Zug zurück in die Stadt, der heute einzige 474 mit der kompletten Führerstandsrückwand in Glas.
In Blankenese steige ich aus und möchte etwas durch den Ort meiner Jugend laufen. Leider gießt es gerade wie aus Eimern, und nach zehn Minuten Wartezeit beschließe ich, dass das Wetter wohl nicht mehr besser wird. Der Blankeneser Bahnhofsplatz ist ein Trauerspiel: Weit über die Hälfte der Läden steht leer, selbst der Burger King hat zugemacht. Da will entweder jemand viel zu viel Miete, oder man will das ganze Areal abreißen und umbauen. Auch das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs, das man eigentlich schon seit 15 Jahren bebauen möchte, liegt nach wie vor brach. Hier wieder eine Macke des FIS: Auf der Bahnhofsübersicht oben im Gang, auf der die Fahrtziele der nächsten Züge angezeigt werden, fährt der Zug auf Gleis 1 nach "Achtung". Auf der Anzeige am Bahnsteig steht etwas im Sinne von"Achtung Bauarbeiten, Züge fahren von Gleis 2/3".
Mit der S-Bahn weiter in die Stadt. In Altona steige ich in die S31 um, um nicht durch den dunklen und langweiligen Tunnel zu müssen. Während der Fahrt über die Verbindungsbahn plane ich die Restfahrt. Zwischen Hauptbahnhof und Berliner Tor stehen zahlreiche Sh2-Scheiben, es herrscht rege Bauzugtätigkeit. In Berliner Tor steige ich wieder in die S1 zur Weiterfahrt nach Poppenbüttel. In Berliner Tor gibt es unter der Bahnsteigkante gelbe Blitzlampen. Soll das die hanseatische Version von "Mind the Gap" sein?
Zwischen Berliner Tor und Landwehr steht rechts neben unserem Gleis ein Vr 0 zeigendes Vorsignal, das aber vermutlich für den GWB der parallel verlaufenden Strecke nach Lübeck und nicht für die an dieser Stelle komplett Sv-signalisierte S-Bahn gilt. Für mich ohne Streckenkenntnis ist das verwirrend bis zu dem Zeitpunkt, an dem mein Tf mit seinem Zug ungerührt am Warnbegriff vorbeikachelt.
Die Wendeanlage Hasselbrook wird mit einem Gleis zum Kehren der S31 verwendet; im anderen Gleis steht nochmal ein Bauzug. In Ohlsdorf lassen wir unseren hinteren Triebwagen stehen und schleichen dank La 10 über die erste Brücke hinter dem Bahnsteig. Direkt dahinter wird fleissig an der Flughafen-S-Bahn gebaut, die Rampe ist fertig, es liegen Gleise, die sogar schon an das Richtungsgleis Poppenbüttel-Ohlsdorf angeschlossen sind. Zwischen S-Bahn und Straße sieht man in einer Grube die Kammer für die Schildvortriebsmaschinen. Dabei sieht es so aus, als existierten die beiden Streckentunnel nur im Ansatzstutzen, am Tag danach lese ich jedoch in der Zeitung über ein durch die Bauarbeiten entstandenes Loch im Brombeerweg. Die S1-Nordost habe ich auch höchstens eine Handvoll Fahrten mal benutzt. Poppenbüttel ist Wedel nicht unähnlich, nur dass hier die Bahnsteiggleise direkt in eine Kehranlage weiterführen, die anschließende Strecke zweigleisig ist und aus der neben den Bahnsteigen liegenden Kehranlage direkt, und wenn ich den Signalschirm richtig interpretiere sogar als Zugfahrt auf die Strecke ausgefahren werden kann.
Auf der Rückfahrt wechsle ich in Ohlsdorf in die U1 und fahre zurück an die Kellinghusenstraße.
Am nächsten Tag geht es nochmal nach Wedel. Die Betriebsführung ist zu diesem Zeitpunkt interessant, denn am heutigen Sonntag ist Großkampftag in Hamburg: HEW Cyclassics, ein Event mit hoher Publikumsbeteiligung. In der U3 von der Kellinghusenstraße bis Sternschanze ist das kaum zu bemerken, auf der S-Bahn allerdings eher. Hier ist man wohl gerade dabei, die Züge mit Gewalt in ihre Umläufe zurückzuschicken: Zwischen Dammtor und Sternschanze steht ein in Richtung Altona fahrender S21-Vollzug für mindestens fünf Minuten an einem Signal und wartet die in Gegenrichtung fahrende S31 ab. Dann wechselt sie das Gleis und wendet an der Bahnsteigkante Richtung Hauptbahnhof zurück nach Bergedorf, während auf dem Richtungsgleis nach Holstenstraße bereits der nachfolgende Zug der S21 einfährt. Der dritte Zug im Bunde ist ein S31-Kurzzug, mit dem ich bis Altona fahre. Der Zug fährt entgegen der üblichen Betriebsführung direkt nach Gleis 2, der Bahnsteigkante für die in Richtung Holstenstraße ausfahrenden Züge, ein. Üblich ist die Einfahrt nach Gleis 3 mit bahnsteiggleichem Anschluss nach Blankenese und Pinneberg, während der Zug von der Verbindungsbahn schliesslich über die Kehranlage nach Gleis 2 umsetzt.
Ich steige fluchend Treppen und erlebe die Ankunft einer gesteckt vollen S3 aus dem Citytunnel: Der Zug endet hier und wird ausgesetzt. Weiterfahrt in Richtung Pinneberg in neun Minuten. Aus Gleis 2 ist die S31, mit der ich gerade angekommen war, schon wieder entschwunden, während auf Gleis 3 die nächste S31 von der Verbindungsbahn einfährt. Die S1 nach Wedel ist dann wieder im Normalzustand.
Die Rückfahrt geschieht mit der S1 bis Jungfernstieg und von dort mit einem aus 4 Wagen DT4 bestehenden Zug der U1 bis Kellinghusenstraße. Dort steht im Anschluß die U3 bereit, bestehend aus DT3 (modernisiert) 833 und DT3 (nicht modernisiert) 921. Das finde ich doppelt bemerkenswert, denn ich wusste bisher weder, dass es immer noch nicht modernisierte DT3 im Fahrgasteinsatz gibt, noch dass modernisierte und nicht modernisierte DT3 zusammen im Zugverband mit Fahrgästen fahren dürfen. Mir war bisher immer so, als seien diese beiden Varianten nur noch mechanisch kuppelbar.
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Marc 'Zugschlus' Haber on :
Wie ich inzwischen im Usenet erfuhr, ist der DT3 921 auch modernisiert, hat nur keine neue Front erhalten. Diese Form der Modernisierung haben die Züge einer Bauserie erhalten, die als nächstes zur Ausmusterung anstehen.