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2005-07-28: Mannheim-Erfurt-Göttingen-Hamburg

Reisenotizen einer Bahnfahrt von Mannheim über Erfurt und Göttingen nach Hamburg

Mit der Strassenbahn fahre ich von Wallstadt zum Hauptbahnhof. Schön, dass die Mannheimer Wagen immerhin eine schwach dimensionierte Klimaanlage haben, denn mir läuft der Schweiß in Strömen.

ICE-1 Tz 75 kommt als ICE 278 aus Interlaken um 10.21 Uhr in Mannheim Hbf an. Der Zug ist fast vollständig ausreserviert, die Leute stehen in den Gängen und auf den Plattformen. In Wagen 7 finde ich bequem einen Platz ohne Nachbarn. Gut, dass die Leute nicht mehr nach Plätzen suchen, sich widerspruchsfrei in ihr Schicksal fügen und stehen bleiben. Seit wann gibt es schweiztaugliche ICE1 mit Wagen 7? Der Wagen bleibt auch nach dem Fahrgastwechsel mit dem Korrespondenz-ICE München-Köln angenehm leer. Frankfurt Hbf wird mit +3 erreicht.

ICE 1559 ist ein einzelner 411 (Tz 1126) mit führender erster Klasse. Am Prellbock hat ein Fotograf seine aufwendige Blitzanlage aufgebaut und fotografiert den Zug, der nicht gerade in Hochglanz unterwegs ist. Wenn ich normalerweise auf dieser Linie unterwegs bin, ist es meistens morgens in aller Herrgottsfrühe, und ich bekomme wenigstens einen Platz in der nach hinten schauenden Lounge zweiter Klasse. Heute jedoch nicht[tm], denn der Zug scheint sehr voll. Fast alle Plätze in den ersten Wagen sind reserviert, davon die meisten für Langstreckenreisende Frankfurt-Leipzig oder Frankfurt-Dresden, also für den gesamten Zuglauf.

In die östlichen Dialekte mischt sich ein erheblicher Anteil verschiedener Englisch-Dialekte. In Wagen 24 hören die Reservierungen fast schlagartig auf, und ich bekomme einen gemütlichen Platz neben zwei australischen Touristinnen. Wie immer in den Ferien ist der Zug voll mit Familien, und ein Familienvater zeigt, dass es auch möglich ist, ein schlecht gelauntes Kind so zu besänftigen, dass nicht der ganze Wagen zusammengebrüllt wird: Er nimmt das Kind auf den Arm, läuft mit ihm durch den Zug, und Ruhe ist. Dass das in einem richtig vollen Zug nicht geht, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Der Bahnhof Flieden bekommt gerade neue Bahnsteige und ist eine völlige Baustelle. Wenn da überhaupt noch Züge halten, ist ein- und aussteigen und vor allen Dingen auf einen Zug warten dort sicher derzeit ein besonderes Vergnügen. Vor Fulda schöne Paralleleinfahrt mit dem ICE München-Würzburg-Berlin, Eisenach pünktlich.

Das vor nicht einmal zehn Jahren gebaute dritte Gleis zwischen Neudietendorf und Erfurt ist schon wieder gesperrt, weil die Nordseite der Strecke wieder mal Baustelle ist. Bei Erfurt-Bischleben kommt die vorbereitete Trasse der Neubaustrecke von Norden hinzu, und die Baustelle zieht sich von dort bis Erfurt Hauptbaustelle. Die Nordseite des Bahnhofs ist komplett gesperrt und Baustelle, der Verkehr hat nur je zwei Stumpfgleise pro Richtung und drei durchgehende Gleise auf der Südseite zur Verfügung. Die neue Halle ist zur Hälfte fertig und stützt sich auf eine temporäre Konstruktion, die hoffentlich nach Fertigstellung der "anderen" Seite wieder verschwinden kann. Schöner Kontrast aus modernem Zweckbau und der noch erhaltenen Reichsbahn-Nostalgie mit historischen Bahnsteigdächern neben der neuen Hallenkonstruktion, gasgefeuerte Sh0 neben Ks-Signalen, und natürlich der Pumpen-Prellbock zur einfachen Gewinnung von Luftdruck. Schade, dass das alles der Abrissbirne zum Opfer fallen wird.


Pumpen-Prellbock in Erfurt Hbf. Die Diskussion im Usenet geht darum, ob das Ding wirklich zur Gewinnung von Druckluft dient, oder ob es nur eine druckbasierte Feder zum Abbau von Aufprallenergie ist. Allerdings scheinen mir die Stempel der Zylinder zu fragil dafür, dass sie einen draufkachelnden Zug aufhalten könnten.

Der Erfurter Straßenbahnbetrieb fährt eine Mischung aus Combinos (es sind doch Combinos, oder?) in fünf- und dreiteiliger Version (leider nicht klimatisiert, heute wäre es nötig gewesen), einem älteren Niederflurtyp aus den geschätzt frühen 90ern und Tatra-Kurzgelenkwagen (KT4D?). So hat man genug zu sehen. Am Domplatz steige ich in einen ebenfalls brütend heißen Gelenkneoplan um.

Nach knapp drei Stunden in Erfurt geht die Reise mit dem RE weiter nach Göttingen. Schiere Menschenmassen warten auf den aus dreimal 612 gebildeten Zug, der glücklicherweise nicht so weit am Bahnsteig vorfährt wie die Fahrgäste es erwartet hatten. Somit ist der Füllgrad im hintersten Triebwagen, der ab Gotha das führende Fahrzeug sein wird, durchaus entspannt. Leider läuft die erste Klasse am Zugschluss, so dass ich keine Streckensicht haben werde. Schade. Im Zug ist es zwar nicht so drückend wie draussen, aber immer noch *warm*.

Die Zugführerin gibt sich gnädig und akzeptiert meine auf "Mannheim -> Hamburg+City via (ICE:MA*F*FD*EF)*(GTH/NDH)*Eichenberg*(HB/UE)" lautende Fahrkarte, und in mir kommt schon wieder die Wut hoch. Da bezahlt man ganz regulär einen Umweg, und muss sich vom Zugpersonal eine Predigt anhören, die das Umfeld im Zug glauben lässt, man würde grau oder ganz gar schwarz fahren. **grrrrr**

Mühlhausen ist ein großer Bahnhof, durch ESTW-Bau optimiert. Aber es sind mehr als zwei Gleise übrig geblieben. Interessant finde ich hier den Schotterzwerg mit dranmontiertem So1 (?). Die weitere Fahrt bis Göttingen verläuft ohne besondere Vorkommnisse durch wunderschöne Landschaft an einem strahlenden Sommertag. Nach dem Aussteigen in Göttingen fühle ich mich erschlagen, denn draussen ist es immer noch entsetzlich warm.

Während zwei Stunden Aufenthalts in Göttingen verschlechtert sich das Wetter. Am Horizont sieht man es bereits blitzen und es fallen die ersten Regentropfen, als IC2276 mit knapp +4 einfährt. Der Zug ist gähnend leer und ich finde einen gemütlichen Steckdosenplatz in einem angenehm gekühlten Bpmz. Der Zugbegleiter rennt im Eiltempo, dreimal "noch jemand zugestiegen" murmelnd an mir vorbei und lässt sich auch durch die hochgehaltene Fahrkarte und ein deutliches "Ja, hier" nicht bremsen. Ich stecke die Fahrkarte ohne Zangenabdruck wieder weg. Wer nicht will der hat schon.

Inzwischen blitzt es im Westen weiter, und es beginnen Regentropfen an die Scheibe zu prasseln. Freilich ist's inzwischen draußen stockdunkel und man sieht eh nicht mehr viel. Hannover wird mit +5 erreicht. Dort steigt eine größere Menge neuer Fahrgäste zu; ich bekomme aus den Unterhaltungen mit, dass das größtenteils Fahrgäste aus dem Rheinland mit Ziel Hamburg sind. Im Rheinland muss es wohl gewaltig geknallt haben; teilweise haben die Leute zwei Stunden in Düsseldorf gestanden. Der Zub erklärt bei der Kontrolle, es gäbe keine Gutscheine, weil Unwetter kein Bahnverschulden. Wieviel Geld hat Frau Künasts Kundencharta der Bahn heute wieder gespart?

In Celle überholt uns, noch bevor wir am Bahnsteig zum Halt kommen, der ICE, der in Hannover neben uns gestanden hat. Die Fahrgäste laufen angesichts des überholenden Zugs Amok, denn man hat ihnen wohl am Bahnsteig gesagt, der ICE würde bis Hamburg hinter unserem IC bleiben, um sie zur Fahrt mit dem IC zu bewegen. Weiterfahrt mit +10.

Die +10 halten wir bis Hamburg-Dammtor, ich erreiche den Bus bequem und ohne eine Viertelstunde herumzustehen. Ein reisereicher Tag geht zuende.

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