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Tanken. In Ruhe.

Seit etwa einem Jahr fahre ich ja wieder Auto, und ich muss feststellen, dass das Tanken inzwischen lästig geworden ist. Dabei meine ich nicht die eigentliche Bedienung der Zapfpistole, sondern das, was nach dem Zurückstecken der Pistole kommt: Da prasselt inzwischen das gesamte Repertoire modernen Marketings auf einen ein.

Jede Tankstellenkette, die etwas auf sich hält, ist entweder Partner in einem konzernübergreifenden Bonus- und Rabattkartensystem, oder hat ein eigenes solches. Man arbeitet mit großen und kleinen Automobilclubs zusammen, und belästigt jeden Kunden beim Bezahlvorgang mit der Frage, ob man foo-Mitglied ist oder eine baz-Karte hat.

Ich habe mein widerwillig geknurrtes "Nein" wohl noch nicht hinreichend perfektioniert, oder tanke nicht oft genug, denn die Frage kommt immer wieder.

Meine Stammtankstelle an der Straße zwischen Wallstadt und Feudenheim hat allerdings inzwischen den Vogel abgeschossen und ich denke ernsthaft darüber nach, mir eine andere Tankstelle zu suchen: Sie hat wieder einen Tankwart.

Ja, genau, wie damals in den 70ern: Da springt einer auf dem Hof herum, putzt Fensterscheiben, bedient die Zapfsäulen und prüft den Ölstand. Damals war dieser Service in den Benzinpreis einkalkuliert, heute kostet er eine Servicepauschale von einem Euro.

Das ist heute morgen in der Praxis so abgelaufen, dass ich noch völlig schlaftrunken mit einer Restreichweite von 73 km auf der Uhr auf die Tankstelle rolle, und kaum den Tankdeckel meines Fiesta aufgeschraubt habe, auch schon der rotgekleidete Mittdreißiger auf mich zustürzt: "Willkommen bei X, darf ich Ihnen helfen?". Dabei baut er sich so vor der Zapfsäule auf, dass ich die Zapfpistole nicht selbst aus der Säule nehmen kann. Widerwillig stimme ich zu und suche nach einem Scheibenputzer, um die Vogelscheiße der Nacht von Windschutzscheibe und Seitenfenstern wegzumachen. "Das mache ich gleich für Sie", spricht der Mann und fordert mich anschließend auf, die Motorhaube zu öffnen. Das verweigere ich mit dem Hinweis, dass es sich um ein Mietauto handelt und ich einen Deibel tun werde und der Mietwagenfirma ihre (bezahlte!) Arbeit wegnehmen werde. Der Mann macht sich daraufhin an der Frontscheibe zu schaffen während ich rumstehe wie bestellt und nicht abgeholt. Derweil sehe ich auf der Zapfsäule das Schild "Neu! Tankwartservice! Servicepauschale 1 Euro."

Ich frage den Mann neugierig, ob man hier jetzt nicht mehr selbst tanken dürfe. Er antwortet "Selbstverständlich dürfen Sie. Ich habe Sie gefragt ob ich es für Sie tun darf und Sie haben zugestimmt." Er drückt mir eine Plastikkarte für die Kasse in die Hand und sagt, man würde mir die Pauschale an der Kasse mit abrechnen.

Mit einer schwarzen Rauchwolke über dem Kopf betrete ich den Kassenraum und werde dort nach foo-Mitgliedschaft und baz-Karte gefragt. Und, ob ich mit dem Service zufrieden war.

Ich antworte, dass ich mich arg überrumpelt gefühlt habe und erst zu spät bemerkt habe, dass der Service extra zu bezahlen ist. Und dass ich mir eine andere Tankstelle suchen würde, wenn es nicht mehr möglich sein sollte, alleine, in Ruhe und ohne Belästigung den Tank meines Autos zu befüllen. Dazu wusste die junge Dame an der Kasse auch nichts zu sagen...

Warum gibt es hier keine Automatentankstelle? Aber auch da würde dem Marketing sicher das eine oder andere einfallen, um unschuldige Kunden zu belästigen.

Und die Seitenscheiben sind immer noch schmutzig.

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Comments

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mika on :

Hier in .at haben wir (zumindest) eine große Tankstellenkette bei der man direkt bei der Zapfsäule mit der Bankomat-Karte bezahlen kann. Das geht also ohne jeglichem menschlichen Kontakt, wenn man das so will. ;-)

JFYI && mfg, -mika-

Hans Bonfigt on :

Also, ich weiß wirklich nicht, was Du wieder hast.\n\nDer Service ist doch prima. Und endlich hat auch Frau keinen Ärger mehr mit Benzin im Diesel, Kühlwasser im Öleinfüllstutzen etc. pp., allein die Liste der Dinge, die allein ich da schon erlebt habe, ist elendiglich lang harrsträubend.\nAuch für Männer, die sich nicht entblöden, ihre Degeneriertheit öffentlich zu demonstrieren, indem sie so einen quietschenden "Trolli" hinter sich herziehen, bietet ein solcher Service mehr Sicherheit. Ein bloggender "alter Sack" beispielsweise kann nichtmal allein die Batterie seines Autos ausbauen. Solche Zeitgenossen sollte man einfach nicht mit schweinegfährlichen Dingen wie einer Zapfpistole hantieren lassen.\n\nAuch was den Reifenluftdruck angeht, riskiert doch ein moderner Windows- oder KDE-Beklicker keine dreckigen Finger und fährt lieber mit halbplatten Reifen durch die Gegend.\n\nIch halte den Kameltreiber an sich ja für gräßlich rückständig und unkultiviert, aber das hat er begriffen: Service ist etwas Positives. In Abu Dhabi bist Du an der Tankstelle kaum zum Stehen gekommen, da bedient Dich schon ein freundlicher Mitarbeiter.\n\nAlso zack, zack, alle Hartzer an die Zapfpistolen !\n\nIdealerweise besorgen den Job attraktive, in engen, tief ausgeschnittenen Overalls bekleidete Hostessen, deren Brüste beim Reinigen der Scheiben einladend wackeln.\nDas treibt nicht nur den Puls des Kunden in die Höhe, sondern auch den Umsatz.\n\n\nJetzt im Ernst: Ich geh' doch auch nicht zum Friseur und schneide mir die Haare selbst ab, sondern nehme eine Dienstleistung in Anspruch. Wir sind doch schließlich selbst Dienstleister. Das ist ein wesentlich ehrenhafterer Job als Symantec - VB. Indem ich einen Dienstleister in Anspruch nehme, trage ich zu seinem Unterhalt bei und bezeuge ihm meine Wertschätzung, indem ich ihm mein Vertrauen gewähre. Du freust dich doch auch über neue Kunden.\n\nGruß Hans,\nder seine Debian-Packages auch nicht selber bauen mag.

Marc 'Zugschlus' Haber on :

Hans schreibt:

Also, ich weiß wirklich nicht, was Du wieder hast.

unproduktiven Leerlauf zu Extrakosten.

Ich halte den Kameltreiber an sich ja für gräßlich rückständig und unkultiviert, aber das hat er begriffen: Service ist etwas Positives. In Abu Dhabi bist Du an der Tankstelle kaum zum Stehen gekommen, da bedient Dich schon ein freundlicher Mitarbeiter.

Aber da ist das im Preis inbegriffen.

Jetzt im Ernst: Ich geh? doch auch nicht zum Friseur und schneide mir die Haare selbst ab, sondern nehme eine Dienstleistung in Anspruch. Wir sind doch schließlich selbst Dienstleister.

Ja, aber unsereins erbringt Dienste, die der Kunde nicht selbst kann, und wir klären ihn vor Beginn der Arbeiten über die Kosten auf. An der Tankstelle steh ich dumm rum, während der Tankwart für mein Geld meine Arbeit macht.

Wenn ich arbeite und Umsatz mache, während meine Putzfrau die Wohnung säubert, ist das eine gute Investition in eine Dienstleistung. Jemanden mein Auto tanken zu lassen, während ich arbeite und Umsatz mache, lohnt sich nur, wenn ich währenddessen an meinem Schreibtisch sitzen kann - sprich, der Wagen abgeholt und sauber und getankt zurückgebracht wird. An der Tankstelle ist es überflüssige Geldverschwendung.

Ich bin halt mit selbst tanken groß geworden.

kju on :

Ach Marc, Deine Zeit muß echt wenig wert sein, wenn Du Dich wegen einem Euro so ausufernd aufregst. Klar mag es ärgerlich sein, aber es ist doch kein Geheimnis, daß heutzutage fast jede Dienstleistung Extrakosten verursacht. Du hättest also auch mal vorher fragen können, ob für die angebotene Leistung Kosten anfallen. Wer die Margen für die Tankstellenpächter kennt kann sich denken, daß so etwas nicht kostenlos ist. Es hätte auch genügt, mal mit offenen Augen Zeitung zu lesen, denn von der Widerkehr des (aber mittlerweile kostenpflichtigen) Tankwarts war schon öfter zu lesen.

Übrigens: Wenn Dir bei Deinen Bahnreisen am Bahnsteig ein Gepäckträger begegnet und der DIr den Transport Deines Gepäcks anbietet, glaubst Du auch, daß das kostenlos sei? Also.

Marc 'Zugschlus' Haber on :

Ein hinkender Vergleich Marke kju. Die Gepäckträger am Bahnhof sind nicht in Ansätzen so aufdringlich.

Azundris on :

Das war selbst für Deine Verhältnisse dämlich.

Felix on :

Die Überrumpelung ist absolut nicht in Ordnung. Ansonsten würd ich an Deiner Stelle aber doch mal ausprobieren, ob das nicht zur morgendlichen Entspannung dienen kann, jemand anders um dem Wagen herumhüpfen zu lassen und sich selbst derweil gähnend zurückzulehnen. (Nen Kaffee könnte er noch bringen.)

Frank on :

Ich kann Dir nur völlig zustimmen. Das Tanken ist eine Zumutung geworden. Neben den, immer gleichen, Fragen nach den diversen Katen (und zur Steigerung auch noch direkt das Angbot eine abzuschlißen wenn man den Besitz verneint hat) kommen auch regelmäßig die diversen "Sonderangebote" auf einen eingestürmt ("Noch nen Kaffee to Go? Nur einen Euro", "Heute jede Wäche nur 5 Euro"). Im Land des Kapitalismus (USA) gibts fast überall "Pay at the Pump" wo man einfach seine Kredit Karte einstopft und wegfahren kann.

Die einzige Tankstelle die das mal versucht hatte, hatte immer ein Schild "defekt" dran und jetzt sind die Dinger ganz verschwunden. Man setzt eher darauf dem Kunden im "Shop" noch was andrehen zu können. Und eine wirkliche Wahl hat man ja nicht, die ohne Bonusprogramm oder Shop gubt es fast nicht mehr.

-thh on :

Och, ich glaube, ich fände das ganz nett, wenn mir jemand die Scheiben wäscht, während ich tanke, und einen Euro immer wert. Den Rüssel einstecken kann ich allerdings tatsächlich selbst.

wusel on :

Vielleicht liegt's daran, daß ich sowieso nur per Karte zahle, daß mir das Bezahlen an sich nicht wirklich negativ aufgestoßen ist bislang (ja, ich habe auch eine Shell-Punkte-Karte). Als kleiner Steppke gab's im meinem Heimatdorf noch 'ne Tanke -- wo ich mich grade dran erinnere, sogar ich habe da noch mal meinen 78er Audi 80 betankt; und mit der Tankwärtin über das Auto philosophiert, denn das stammte just von dort, ihre Enkelin hatte es dann zugunsten eines Golf Cabrios verkauft (Memory Lane Alert!) --, die war immer mit Bedienung. (Und mit eingefrästem Loch für die Hunderterstelle. Heute stehen da Blumenkübel ...) Und so 2, 3 Pfennig/Liter teurer als im nächsten Ort (8 km entfernt).

Generell fände ich so ein Rundumsorglos-Paket ja wieder nett, mit Wischwasser nachfüllen (ist, grade jetzt, chronisch alle, trotz 4,4l-Behälter), Ölstands- und Reifendruckkontrolle ... Andererseits schwanken die Literpreise mittlerweile über den Tag um bis zu 4 Cent/Liter (Montag morgen €1,379, Montag abend €1,419 grrrrrr), bei "einmal volltanken bitte" sind das mal eben knapp 4 Euro Unterschied --- Dienstleistungsgedanke hin oder her, unter den Umständen nehme ich lieber das "no frills"-Angebot des Selbsttankens in Anspruch ...

BTW: Location-based aktuelle Spritpreise, DAS wäre mal 'ne Innovation ;-)

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